Die Schuldenbremse soll ein letztes Mal im Jahr 2021 ausgesetzt werden. Der Etat für die Neuverschuldung stößt aber nicht überall auf Zuspruch. Die AfD widerspricht – der Haushaltsplan sei „verfassungswidrig“.
2014 wurde erstmals ein Haushalt ohne neue Schulden geschafft – die „Schwarze Null“. Spätestens seit der Corona-Pandemie ist diese passé. Ohne Neuverschuldung ging es nicht mehr. Die Schuldenbremse wurde ausgesetzt, um die Hilfspakete zu finanzieren, die die Corona-Krise abfedern sollten. 96,2 Milliarden Euro werden es nach Angaben aus Regierungskreisen für das Jahr 2021 sein. Es gehe um „sehr, sehr, sehr viel Geld“, räumte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) ein. Mehr, als eigentlich laut der Regeln der Schuldenbremse legitim wären. Nach der im Grundgesetz festgelegten Regel dürften nur 10 Milliarden Euro an Haushaltsschulden zur Staatsfinanzierung anfallen. Allerdings wurde die Schuldenbremse bereits 2020 ausgesetzt, um die wirtschaftlichen Engpässe aufzufangen und „mit Wumms aus der Krise“ zu kommen. Für den Haushalt 2021 muss der Bundestag eine erneute Ausnahmegenehmigung erteilen. Der Bundestag berät diese Woche über den Entwurf der großen Koalition für 2021. Die Schuldenquote im Verhältnis zur Wirtschaftskraft sei in der Finanzkrise 2009 auf mehr als 80 Prozent gestiegen. Dieses Mal würden es vermutlich 75 bis 76 Prozent sein – „Ein gutes Zeichen“, sagte Scholz.
Die Haushälter der AfD im Bundestag sehen der erneut sehr hohen Verschuldung wenig positiv entgegen. „Man muss über diese Schulden reden – auch in Corona-Zeiten“, erklärte der haushaltspolitische Sprecher der AfD, Peter Boehringer im Fernsehen. Die Verschuldung ginge „auf Kosten zukünftiger Generationen und es ist in dieser Form verfassungswidrig“, erklärte er. Eigentlich darf die Schuldenbremse nur ausgesetzt werden, wenn sich die Notlage des Haushalts der Kontrolle des Staates entzieht. Dies könne man inzwischen aber „wirklich nicht mehr sagen“, teilte Boehringer mit. Scholz betonte jedoch, dass die Hilfsmaßnahmen zur Förderung der Wirtschaft nicht plötzlich beendet werden dürfen. Als Beispiel dafür nannte er die Möglichkeit für Unternehmen weiterhin Kurzarbeit anzumelden. „Nicht-Handeln wäre viel teurer“, argumentierte er. Laut Scholz wird es Corona-bedingt zu einem Rückgang des Bruttoinlandprodukts (BIP) um 5,8 Prozent kommen, was dem Rückgang während der Finanzkrise 2008/09 gleichkommt. Aus diesem Grund sieht die Finanzplanung 2021 bis 2024 Investitionen in Höhe von rund 200 Milliarden Euro vor. Laut Scholz werde dies auch private Investitionen auslösen, die für zusätzliches wirtschaftliches Wachstum sorgen werden.
2020 verzeichnete Deutschland Staatsausgaben in Höhe von 509 Milliarden Euro. Kommendes Jahr sinken die Ausgaben auf rund 413 Milliarden Euro – weniger als zuvor, jedoch immer noch viel mehr als vor der Corona-Pandemie. Dennoch spricht das Finanzministerium von einer „verantwortungsvollen Haushaltspolitik“. Die verschiedenen Konjunkturmaßnahmen helfen dabei, entschlossen aus der Krise zu kommen.
Auch mit Staatsausgaben im zwölfstelligen Bereich verzeichnet Deutschland die niedrigste Schuldenquote in Relation zu den Schuldenquoten anderer wichtiger Industriestaaten der G7. Der Grund dafür war der zuvor ausgeglichenere Haushalt die Quote auf 60 Prozent gesenkt hatte, wie es von den gemeinsamen Verschuldungsregeln der Eurozone verlangt wurde. Allerdings besteht die Sorge, dass während der höheren Staatsausgaben die Steuereinnahmen beinahe in der gleichen Größenordnung zurückgegangen sind. Die Folge: Ein Loch in der Haushaltsplanung, das in diesem und dem folgenden Jahr durch weitere Schulden gefüllt werden muss. Jedoch soll ab 2022 die Schuldenbremse wieder gelten. Die Frage lautet, wie die Bundesregierung die Schuldenbremse einhalten will. 10 Milliarden Euro als jährliches Schuldenmaximum erscheint verschwindend gering. Mögliche Maßnahmen wären zum Beispiel die Kürzung der Ausgaben, insbesondere bei den Sozialetats. Doch an dieser Stelle sperrt sich die SPD. Eine weitere Möglichkeit sei eine Steuererhöhung und viele sind sich sicher: Spätestens nach dem Wahljahr 2021 werden die Steuern steigen. „Das nennt man Kassensturz, den man natürlich erst nach der Bundestagswahl macht und dann betroffen erklärt, dass man nun leider nicht mehr ohne Steuererhöhung weiterkomme“, erklärte FDP-Chefhaushälter Otto Fricke. Doch mit der Union, die die große Koalition anführt, ist das nicht möglich.
Während 2017 die Haushaltslage so gut war, dass Union und SPD in den Koalitionsgesprächen darüber sprachen, wie sie Mehrausgaben in Höhe von 50 Milliarden Euro unters Volk bringen könnten, sieht es bei den nächsten Koalitionsverhandlungen weniger rosig aus. Es wird vor allem darum gehen, wie die Haushaltslöcher gestopft werden sollen, die die Corona-Krise und die Ausgabenpolitik verursacht haben. „Dann wird schnell klar sein, wo die Reise hingeht“, so ein Haushälter. „Dann werden die Steuern auf breiter Front erhöht.“ Eine positive Wirtschaftsentwicklung und dadurch höhere Steuereinnahmen könnten das Loch schließen. „Darauf setzen wir“, teilte ein Regierungsvertreter mit. In der Finanzkrise sei dies bereits gelungen. Wieso also nicht auf ein zweites Wirtschaftswunder hoffen?