Politik paradox: Erst wollten die Genossen der SPD ihren aufsteigenden Star nicht zum Parteivorsitzenden machen, dann plötzlich ruft sich Scholz als Kanzler aus und will das Rennen um die wichtigste Machtposition in Deutschland wirklich gewinnen. Mit der ihm eigens kreierten Parole: „Wumms, ich mach‘ euch den Kanzler!“ Ob das wirklich gut geht, und ob der Hamburger Jung, der derzeit als Bundesfinanzminister sein Glück versucht, wirklich Kanzler kann, muss die nächste Zukunft zeigen. Bis zur Wahl 2021 vergeht noch viel Zeit und in der Vergangenheit ist schon manch leuchtender Stern am politischen Firmament so schnell verglüht, wie er dort aufgetaucht ist. Der Zeitpunkt seiner Bekanntgabe als Kandidat ist gewagt, denn nun haben viele politische Gegner und Mitstreiter wie Friedrich Merz oder Jens Spahn genügend Zeit, sich auf den Kandidaten einzuschießen, um ihn gegebenenfalls zu demontieren, bevor es überhaupt richtig losgegangen ist. Scholz kennt das Gefühl, wenn der Rückhalt fehlt, wenn ihm niemand etwas Großes zutraut. Dass Angela Merkel ihren kreativen Zenit längst überschritten hat, wissen wir. Ob Olaf Scholz sie ersetzen kann, diese Frage bleibt noch lange offen.
Am Montag wurde Olaf Scholz von der SPD offiziell als Kanzlerkandidat nominiert, also muss dieser jetzt liefern, damit die Nominierung richtig war. Der Realo-Scholz, dem man nachsagt, mit den Linken zu liebäugeln und trotzdem auch die GroKo zu favorisieren. Die Frage ist, ob Scholz wirklich genug Power, oder wie er sagt „WUMMS“ mitbringt, um erst einmal das Wahlergebnis jenseits der 20 Prozent zu hieven und der SPD ein neues positives Image zu verpassen? Wie Hermann Binkert vom Meinungsforschungsinstitut INSA sagt, ist Scholz aktuell der beliebteste Politiker der SPD. Wenigstens diesen Bonus hat er schon einmal. Aber bleibt das so, wenn sich die Wähler bewusst werden, dass Scholz mit der Linkspartei paktieren könnte, einer Partei, die politische Diktatoren wie Putin oder Venezuelas Maduro verehrt? Das ist eigentlich undenkbar, und passt nicht zu Deutschlands Kurs der neutralen Mitte. Zumindest bekannte sich der Hamburger Politiker frühzeitig zu seiner Mission und eiert nicht herum, wie die CDU oder die FDP, die bis nächstes Jahr März mit der Bekanntgabe ihrer Kandidaten warten wollen. Aktuell setzen Scholz und die Genossen darauf, dass er als Vizekanzler mit der größten Erfahrung einen Bonus hat bei den Wählern und diesen dann 2021 ausspielen kann wie eine Trumpfkarte. Böse Stimmen behaupten allerdings bereits, es gäbe grundsätzlich zu wenig Kandidaten bei der SPD, die überhaupt den Hauch einer Chance haben dürften, gewählt zu werden. Wenn man Saskia Esken und Norbert-Walter Borjans bewerten soll, dann fällt das Ergebnis mau aus. Fraktionschef Rolf Mützenich ist eher unbekannt und genießt keinerlei politische Reputation. Na, da kann Friedrich Merz ja nun beginnen, die Messer zu wetzen, um gegen den Hamburger Wumms-Scholz eine Strategie zu entwickeln. Sein Kommentar zur Nominierung hört sich entsprechend belustigt an: „Es gibt genügend Potenzial, um zu scheitern. Olaf Scholz wird es so ergehen wie Peer Steinbrück 2013: Der Kandidat passt nicht zur Partei.“ Auch andere politische Mitstreiter scheuen nicht davor zurück, deutliche Worte zu finden. Norbert Röttgen von der CDU beispielsweise orakelt: „Die SPD hatte schon einige Kanzlerkandidaten, die nicht zur Partei und ihrer Richtung passten. Das mache auch Scholz „zu einer taktischen Lösung, die nicht glaubwürdig ist“. Die Entscheidung sei allerdings auch „keine Überraschung“.
Die Aufgabe, die auf den/die neuen Kanzler/in in Deutschland wartet, ist brisant. Da gibt es viel Potenzial, das bearbeitet werden muss und unzählige Probleme, die den Wirtschaftsstandort Deutschland betreffen. Die Corona-Krise könnte der Funke sein, der ein ganzes Fass zur Explosion bringt und die deutsche Wirtschaft an den Rand der Ohnmacht bringen könnte. Da helfen keine Brandreden und Beteuerungen, da helfen nur handfeste Maßnahmen und gut durchdachte Programme. Der/die Gewinner/in der Wahl muss nicht nur 2021 liefern, sondern gerade jetzt, wo die ganze Welt am Scheidepunkt steht, und wo Unsicherheit und Besorgnis unser Leben bestimmen.
Tja, wer soll es überhaupt machen in Deutschland? Scholz hat schon einige Ohrfeigen in Hamburg beim Wirtschaftsgipfel bekommen, dann die fehlende Rückendeckung aus der eigenen Partei (Parteivorsitz), und jetzt kanzler von Deutschland. Besser kanzler als König.