BERLIN. Am 03. Juni 2020 hat die große Koalition den Rahmen für das Konjunkturpaket 2020/21 festgelegt, das die aktuelle wirtschaftliche und soziale Notlage bedingt durch die Coronapandemie stabilisieren und die Bundesrepublik in Zukunft nachhaltig stärken soll.
130 Milliarden Euro gebündelt in einem Konjunktur- und Krisenbewältigungspaket sowie einem Zukunftspaket sollen „Beschäftigte und Familien unterstützen, Unternehmen stabilisieren, die Modernisierung des Landes voranbringen und dafür sorgen, dass Deutschland gestärkt aus der Krise hervorgeht“, teilte das Bundesministerium der Finanzen mit. Bleibt die Frage offen, wer und in welchem Umfang subventioniert wird?
Besonders die Automobilbranche wartete gespannt auf das Ergebnis der Diskussion rund um die Kaufprämie. Umso überraschter war die Branche, als Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) am Mittwochabend verkündeten, dass die Prämie lediglich auf Elektroautos beschränkt werde. Für Diesel- und Benzinautos gäbe es hingegen keinen Bonus. Die Nachfrage hierfür werde über den gesenkten Mehrwertsteuersatz gefördert sowie Rabatte der Anbieter. Der Grund: Im beschlossenen Zukunftspaket ginge es um Nachhaltigkeit und die Modernisierung des Landes. Dementsprechend werden nur Käufer von Elektro- und Hybridautos im Rahmen der „Innovationsprämie“ unterstützt, um damit die nachhaltige Mobilität zu fördern. Wer beispielsweise bis zum 31.12.2021 ein Elektroauto mit einem Nettolistenpreis von bis zu 40.000 Euro erwirbt, erhält eine Kaufprämie in Höhe von 6.000 Euro. Das ist doppelt so viel, als der bisherige „Umweltbonus“ offeriert hatte.
Ein weiterer und zentraler Beschluss des Konjunkturpakets war die befristete Senkung der Mehrwertsteuer. Dafür wird ab dem 01.07.2020 für sechs Monate der Steuersatz von 19 Prozent auf 16 Prozent gesenkt und der ermäßigte Satz von 7 Prozent auf 5 Prozent, mit dem Ziel die Binnennachfrage zu stärken und die Wirtschaft anzukurbeln. Weiterhin beschlossen die Spitzen CDU, CSU und SPD, Familien mit einem einmaligen Kinderbonus in Höhe von 300 Euro zu unterstützen. Der Bonus wird nicht an die Grundsicherung angerechnet, sodass auch Hartz-IV-Empfänger davon profitieren. Dafür wird der Bonus mit dem Kinderfreibetrag verrechnet, sodass Familien mit geringem und mittlerem Einkommen entsprechend mehr davon profitieren, als Familien mit höherem Einkommen. Voraussetzung für den Kinderbonus ist, dass das Kind noch kindergeldberechtigt ist und die Familien besonders von den Einschränkungen der Pandemie betroffen sind.
Die Pläne dienen dazu, „mit Wumms aus der Krise“ zu kommen, teilte Scholz in der Nacht zu Donnerstag mit. Rein rechnerisch sollte das möglich sein. Im vergangenen Jahr betrug die Leistung der deutschen Wirtschaft, das Bruttoinlandsprodukt (BIP), insgesamt 3.436 Milliarden Euro. Mit der Coronapandemie haben wir laut Merkel „die schwerste Krise der wirtschaftlichen Entwicklung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland zu bewältigen“, denn Schätzungen der Bundesregierung zufolge wird ein Rückgang des BIPs um 6,3% – 216 Milliarden Euro – erwartet. Geht man recht in der Annahme, dass die zielgerichtete Wirkung des Konjunkturpakets mehr als nur die ursprünglichen Ausgaben abdecken kann, könnten die 130 Milliarden Euro die Wirtschaftskrise auffangen und den befürchteten BIP-Einbruch sogar ausgleichen.
Bei der Bewertung des Konjunkturprogramms sind Experten uneinig. Während die Pläne von Ökonomen, wie Clemens Fuest, Präsident des Ifo-Instituts, gelobt wird, hagelt es seitens der Opposition Kritik. Der Fraktionsvorsitzende der Linkspartei Dietmar Bartsch verurteilte das milliardenschwere Paket als „wenig zielgenau, wenig nachhaltig und unfassbar teuer“. Die geplante Senkung der Mehrwertsteuer sei zwar ein guter Ansatz, um den Konsum zu fördern. Allerdings könne nicht gewährleistet werden, dass die Wirtschaft die Senkung nicht zu ihrem Vorteil nutzt, indem sie die Nettopreise erhöht und so von der ermäßigten Mehrwertsteuer profitiert. Das eigentliche Ziel, den Verbraucher durch die Ermäßigung zum Kauf anzuregen und so die Wirtschaft wieder zu beleben, würde damit in den Hintergrund rücken.
Auch FDP-Chef Christian Lindner übt massive Kritik an den Plänen der Bundesregierung: „Es fehlen Prognosen und Aussagen, welche Effekte es gibt und ob überhaupt ein Hebel für mehr Wachstum erreicht wird.“ Die geplante Umsatzsteuersenkung sei zu „bürokratisch, die Weitergabe an die Konsumenten zudem unklar“, kritisierte Lindner das Konjunkturprogramm im Interview mit dem Handelsblatt. Sinnvoller wäre eine Steuersenkung zum Abbau der kalten Progression und die Abschaffung des Solidaritätszuschlags.
Der Klimaexperte der Linken im Bundestag, Lorenz Gösta Beutin, befürwortete zwar die Ablehnung der Kaufprämie für Benzin- und Dieselautos, jedoch sei die Nachhaltigkeit der Prämie allgemein fraglich. Das 50 Milliarden Euro teure Zukunftspaket sei mit keinen verbindlichen Klimavorgaben verbunden, die die Klima-Rettung voranbringen würden. Deshalb sei es allenfalls „blassgrün“, erklärte die Umweltschutzorganisation Greenpeace. Dabei wäre das Konjunkturpaket 2020/21 „eine historische Chance auf einen ökologischen Aufbruch“ gewesen, erklärte Greenpeace-Experte Tobias Austrup und forderte die Anpassung des Konjunkturprogrammes.
Merkel betonte am Mittwochabend: „Wir versuchen, aus dieser extrem schwierigen Situation gemeinsam stark herauszukommen. Dafür, glaube ich, haben wir (…) einen guten Grundstein gelegt“. Jetzt bleibt abzuwarten, wie sie sich im nächsten Schritt im Kabinett beraten und das geplante Paket gesetzlich umgesetzt wird.