Reisefreiheit durch das Schengen-Abkommen vor allem für Kriminelle, eine unsoziale EU, die Brüsseler Lobbykratie, ein besseres Deutschland wenn es die D-Mark noch gäbe – alles Argumente, die man schon einmal gehört hat. Die vielfach falsch oder nur halb richtig sind. In einem Faktencheck stellt sich die Europäische Kommission den vielfach geäußerten Vorwürfen. Mit der knappen Überschrift „EU-Mythen“ räumt der Staatenbund mit einem großen Teil der Halbwahrheiten auf.
Argument – Gegenargument, so würde es der Leser auf den ersten Blick erwarten, und wird zunächst schwer enttäuscht: In aller Ausführlichkeit versucht die EU-Kommission, Vorwurf für Vorwurf auf den Grund zu gehen und ihn letztlich zu entkräften. Ein Unterfangen, das dann etwas ausführlicherer Worte bedarf. Ein Einlesen, das verdeutlicht, dass es selten einfache Antworten auf komplexe Fragen geben kann.
Exemplarisch sei hier die gerne geäußerte Meinung genannt, Deutschland stünde mit der D-Mark besser da. In einem Fünfzeiler fassen die Faktenchecker die Eckdaten zusammen, von der höheren Euro-Stabilität bis zur zweitwichtigsten Weltwährung. Wer tiefer in die Materie einsteigen will, klickt auf den Vorwurf und öffnet damit eine 41 Zeilen messende Erklärung in aller Ausführlichkeit, die über einen längeren Zeitraum gesehen auch gleich den Teuro-Vorwurf statistisch wegbügelt.
Auch mit dem Schwarzen Peter sind die EU-Institutionen vertraut: Für Fahrverbote für Dieselfahrzeuge wird gerne Brüssel verantwortlich gemacht, obwohl hier deutsche Kommunen das Recht auf saubere Luft für ihre Bürger so lange zu Gunsten der Autoindustrie ausgelegt hatten, bis deutsche Umweltverbände erfolgreich den Rechtsweg beschritten. Sehr viel geübter ist man dabei im Nachbarland Großbritannien, Gründe für eigenes Versagen in Brüssel zu suchen und Entscheidungen der Mehrheit der Parlamentarier aus den Mitgliedsstaaten als Diktatur sowjetischer Prägung darzustellen. Auch die autoritären Regierungen in Ungarn oder Polen übertreffen sich derzeit in absichtlich irreführenden Falschdarstellungen.
Wie alle Selbstdarstellungen erlaubt jeder Sachverhalt eine Betrachtung von vielen Seiten: Nutzte der Wegfall von Grenzkontrollen an den EU-Binnengrenzen vor allem den EU-Bürgern? Oder eher den Kriminellen, oder wollte man damit gar späteren Flüchtlingen die Reise erleichtern? Auf solche Fragen gibt es immer mehr als eine Antwort, das liegt in der Natur der Sache. Die EU-Kommission tendiert hier eher zu EU-freundlichen Antworten.
Zum Schmunzeln bringt dann noch eine Auflistung der absurdesten EU-Mythen: Windeln für Kühe, Buntstiftverbot für Kinder, EU-weites Achterbahnverbot. Die sollten schon wegen des Unterhaltungswerts gelesen werden. Nicht zu vergessen ist dabei die berühmte Gurkenkrümmungsverordnung. Sie wurde 2009 abgeschafft, wird jedoch im Handel intern weiter beachtet, weil man sie dort so praktisch findet.