Der große André Kostolany, von 1965 bis zu seinem Tod 1999 Kolumnist eines Magazins, brachte die Börse auf eine simple Formel: Am schwersten sei es, eine selbstständige Meinung zu haben, also das Gegenteil von dem zu machen, was die Mehrheit tut.
Ihm wäre es daher vermutlich verdächtig vorgekommen, als sich zu Jahresbeginn fast alle Strategen und Investoren einig waren, der Euro werde bald unter die Parität zum Dollar rutschen. Gründe gab es genug: die gewiss bald steigenden US-Zinsen; das stärkere US-Wachstum; die geopolitischen Sorgen (denn in Krisen fliehen alle in den Dollar); und natürlich die Sorge um dem Ausgang zahlreicher Wahlen in Europa.
Was aber ist passiert? Der Euro fiel nicht, sondern wertete gegenüber dem Dollar auf. Kräftig, fast 15 Prozent seit Jahresbeginn auf zuletzt über 1,20 Dollar je Euro – ein Lehrstück für die Anlegerpsychologie, nach der es meist anders kommt, wenn sich alle einer Sache sicher sind.
Doch womit können Sie sich heute absetzen vom Trend? Schließlich sieht in der Ära der niedrigen Zinsen und des billigen Geldes jeder Winkel der Kapitalmärkte abgegrast aus. Die sichere Verzinsung von Einlagen liegt bei nahe null. Sollten Sie Interesse haben, dem niederländischen Konzern Unilever per Anleihe für die kommenden drei Jahre Geld zu leihen, zahlen Sie (und nicht Unilever) dafür 0,14 Prozent Zinsen.
In Zeiten, in denen beinahe alle Vermögenswerte seit Jahren klettern, sind antizyklische Gelegenheiten eine Rarität. Ausgerechnet im Reich der Währungen aber, also jenem Markt, der so viele in diesem Jahr auf dem falschen Fuß erwischte, könnten Anleger noch fündig werden. Denn vor einigen Jahren machten britische Kapitalmarktforscher eine merkwürdige Entdeckung: Zwar gilt eine starke Währung gemeinhin als wünschenswert. Doch die mit Abstand höchsten Aktienrenditen entdeckten sie in jenen Märkten, die in den fünf Jahren zuvor mit den schwächsten Währungen hatten wirtschaften müssen. Im Schnitt 30 Prozent pro Jahr strichen Anleger seit den 70er-Jahren ein, die konsequent in jene Aktienmärkte investierten, deren Währungen in den fünf Jahren zuvor zum schwächsten Fünftel gehört hatten.
Gemessen an der Weltleitwährung Dollar spräche dies aktuell übrigens für Aktien in Australien, Großbritannien, Neuseeland und genau: der Eurozone.
Das klingt paradox, wo doch der Euro gerade zu klettern beginnt und damit nicht nur für Deutschland zum Problem werden könnte. Schließlich belastet dies den Export. Kostolany aber hätte damit kein Problem gehabt. Dass der (meist starke) Wechselkurs der damaligen D-Mark für die deutsche Wirtschaft keine Rolle spiele und Notenbanker bitte nicht zu interessieren habe, zog sich durch viele seiner Kolumnen. „Die Stärke eines Landes liegt weder in der Zinshöhe noch im Dollarkurs, sondern in den Tugenden des Landes und der wirtschaftlichen Potenz seiner Führung“, schrieb er hier einmal. Dem ist nichts hinzuzufügen.