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Großrazzien in Fleischunternehmen wegen illegaler Leiharbeiter

Die Bundespolizei hat deutschlandweit Razzien in Geschäfts- und Wohnräumen durchgeführt. Der Verdacht: illegale Einschleusung von Leiharbeitern.

Mit 800 Beamtinnen und Beamten wurden in den vergangenen Tagen Razzien in mehr 60 Wohn- und Geschäftsräumen durchgeführt. Die Bundespolizei vermutet, dass über die Unternehmen zahlreiche Leiharbeiter illegal ins Land eingeschleust wurden. Die Razzien wurden vor allem im Raum Sachsen-Anhalt und Niedersachsen durchgeführt, teilte ein Sprecher der Bundespolizei Mitteldeutschland mit. Es gab darüber hinaus aber auch Razzien in Berlin, Sachsen und Nordrhein-Westphalen.

Laut Angaben der Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) handelte es sich konkret um drei Unternehmen, die im Rahmen der Razzien durchsucht wurden. Die Polizei durchsuchte in Garbsen die Räumlichkeiten einer Gesellschaft namens Certus Personalbereitschaft. Laut Unternehmensregister war die Firma erst im Dezember letztes Jahr an diesen Standort umgezogen. In Bassum südlich von Bremen wurden die Geschäftsräume des Unternehmens ICR durchsucht und in der Gemeinde Twist nahe der niederländischen Grenze wurde die Gesellschaft Berkana durchsucht. Ihnen wird zur Last gelegt, illegale Leiharbeiter ins Land geschleust und an Fleischunternehmen vermittelt zu haben. Bei den Leiharbeitern handele es sich überwiegend um Osteuropäer. Die Ermittler sehen die Unternehmen als Teil eines größeren Firmenkonstrukts, das potentielle Arbeitnehmer illegal in Unternehmen der Fleischindustrie einsetzt. Das Konstrukt soll aus mehreren Zeitarbeitsfirmen bestehen, die in den vergangenen sechs Monaten rund 80 Menschen eingeschleust haben sollen. Laut Angaben der Bundespolizei gibt es zehn Hauptbeschuldigte im Alter von 41 bis 56 Jahren – darunter sind acht Männer und zwei Frauen. Sie müssen sich nun wegen banden- und gewerbsmäßiger Einschleusung und Urkundenfälschung vor Gericht verantworten.

Bereits seit Anfang 2020 lagen der Bundespolizei Erkenntnisse vor, die belegen, dass Menschen mit gefälschten Dokumenten illegal nach Deutschland eingeschleust wurden. Dabei seien der Grenzpolizei vermehrt rumänische Dokumente aufgefallen, die offenbar gefälscht waren. Nach einem Abgleich mit den entsprechenden Behörden in Rumänien kam heraus, dass die Personen auf diesen Dokumenten eigentlich gar nicht existierten. Grund für die jüngsten Razzien war die ansteigende Zahl an Reisenden mit falschen Dokumenten. Die bei der Razzia entdeckten illegalen Leiharbeiter wurden festgenommen, befragt und anschließend an die Ausländerbehörde übergeben. Darüber hinaus konnten Datenträger und Geschäftsunterlagen als Beweismittel gesichert werden.

Der Oberstaatsanwalt Hans-Jürgen Neufang gab gegenüber der FAZ bekannt, dass die betroffenen Unternehmen nach aktuellem Kenntnisstand die illegal eingeschleusten Arbeitskräfte an einen fleischverarbeitenden Großbetrieb in Weißenfels vermittelt hatte. „Und das ist Tonnies“, erklärte Neufang. Es wird davon ausgegangen, dass ein Großteil der Angestellten bei einer genaueren Überprüfung entlarvt würden. Dabei betonte Neufang, dass sich die laufenden Ermittlungen nicht gegen das Fleischunternehmen richten: „Es besteht überhaupt kein Anfangsverdacht gegen Tönnies.“ Die Arbeiter hätten gültige Papiere gehabt. Neufang seien keine Pflichten bekannt, die verlange, die Identität seiner Arbeitnehmer zu überprüfen. Er schloß aber nicht aus, dass andere Standorte des größten deutschen Fleischverarbeiters betroffen seien. „Das wird sich im Zuge der Ermittlungen herausstellen.“ Nach Angaben der Bundespolizei stehen zunächst die Zeitarbeitsfirmen im Fokus der Ermittlungen, so dass diese zunächst vermehrt durchsucht werden. Es wird aber nicht ausgeschlossen, dass auch die Fleischbetriebe in Zukunft Ziel der Ermittlungen werden und somit auch durchsucht werden können.

Die Arbeitsbedingungen in den Fleischunternehmen gerieten im Zuge der Coronapandemie in den Fokus der Kritik. Es gab eine Reihe von Corona-Infektionen, die auf die Arbeitsbedingungen und die Unterbringung der Arbeitnehmer aufmerksam machte. Die Bundesregierung hatte daraufhin einen Gesetzesentwurf für Reformen in der Fleischindustrie entwickelt. Darin wird festgehalten, dass Kerntätigkeiten in der Fleischwirtschaft wie Schlachten, Zerlegen und Verarbeiten künftig nicht mehr von betriebsfremden Beschäftigten ausgeführt werden dürfen. Werkverträge und Leiharbeit sollen in der Branche von 2021 an verboten sein.

In Anbetracht der Ereignisse rief der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) die Bundesregierung dazu auf, das Gesetz für mehr Arbeitsschutz in der Fleischbranche „schnell und ohne Abstriche“ durchzusetzen. DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel verlangt: „Leiharbeit muss wie Werkverträge jetzt verboten werden“. Laut Grünen-Sprecherin für Arbeitnehmerrechte Beate Müller seien die Razzien gegen die „kriminellen Machenschaften der Fleischindustrie“ mehr als „überfällig“ und forderte rasches Handeln von der Bundesregierung.

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