Risiko- und Gründungskapital ohne Bank, Expansion ohne Klinkenputzen: Dem Crowdfunding war eine große Zukunft vorausgesagt worden, vor allem in der Finanzierung von kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMUs). Die Prognosen reichten sogar bis zur Bedrohung und des Bankwesens schlechthin. Inzwischen ist die Schwarmfinanzierung in der Ebene angekommen. Mit Achtungserfolgen und großem Potenzial, noch immer, doch im Umfang bislang erstaunlich bedeutungslos. Das ergab eine Umfrage unter Mittelständlern des Europäischen Kompetenzzentrum für Mittelstandsforschung der Uni Bamberg (EFAM) in Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsberatung Deloitte.
Zwischen der ersten Umfrage 2015 und der zweiten in 2018 ist das Thema in der Bekanntheit signifikant gewachsen: Wussten 2015 nur 48 Prozent der Befragten, was sich hinter dem Begriff verbirgt, waren es 2018 schon 82 Prozent. Dennoch machte Crowdfunding weniger als 1 Prozent des 2017 in Deutschland an KMUs vergebenen Kreditvolumens aus. Eine Nachfrage bei den Vorständlern 2019 bestätigte nochmals das Ergebnis von 2018. Deutsche Unternehmen verlassen sich in der überwältigenden Mehrheit weiterhin auf die etablierten persönlichen Beziehungen zu ihren Hausbanken als dem bevorzugten Finanzierungspartner. Nur ein Zehntel der Befragten glaubt daran, dass sich dies ändern könnte. Knapp die Hälfte der Unternehmen will in Zukunft die Bindung zur Hausbank sogar stärken. Als Hauptgrund dafür wird vermutet, dass der persönliche Ansprechpartner unverändert eine herausragende Rolle spielt. Nur 5 Prozent der Teilnehmer teilten die Ansicht, dass der persönliche Ansprechpartner für sie nicht wichtig sei. Nur 5 Prozent der Befragten gaben an, ihren Kredit bevorzugt oder ausschließlich online abschließen wollen.
Der persönliche Ansprechpartner macht den Unterschied
Die Banken punkteten nicht nur bei der persönlichen Betreuung. Knapp 60 Prozent der befragten Unternehmen empfinden die Kreditvergabe der Geldinstitute als transparenter, verglichen mit der Crowd. Dabei überraschte besonders das schlechte Abschneiden der Kreditbewilligungsdauer – die ureigenst dem Crowdlending zugesprochenen Domäne. Die kritisierten 76 Prozent als schlechter, die Hälfte davon sogar als sehr viel schlechter. Auch die Flexibilität der Vertragsgestaltung und die Erreichbarkeit werden von jeweils rund 60 Prozent der Befragten bei Banken als besser bzw. sehr viel besser angegeben. Und das, obwohl im Crowdlending Kreditzu- oder -absagen meist in weniger als zwei Tagen nach der vollständig digitalen Antragsstellung gegeben werden. Dabei sind der Prozess und die dafür notwendigen Unterlagen äußerst schlank, effizient und einfach gehalten. In der Regel prüft ein Algorithmus die Standarddokumente wie Kontoauszüge und Bilanzen, lehnt Kredite ab oder selektiert sie zur genaueren Prüfung. Crowdlender müssen ebenso auf die Investoren und Risiko achten und können nicht wahllos Darlehen ohne Rücksicht auf die Rückzahlung genehmigen. Das erklärt, warum Crowdlender die große Mehrheit der Kreditgesuche ablehnen müssen.
Allen Überraschungserfolgen der neuen Player zum Trotz lassen die Ergebnisse der Befragung derzeit keinen nennenswerten Bedeutungsverlust des Bankkredits erwarten. Die Wiederholung der umfassenden Studie von der Universität Bamberg und Deloitte zeigt erneut: „Crowdlending ist keine wirkliche Bedrohung für das etablierte deutsche Kreditgewerbe“, bestätigt Jano Koslowski, Director Financial Services Solutions bei Deloitte. Anders lautende Veröffentlichungen zitierten Marktentwicklungen, beispielsweise aus den Vereinigten Staaten, die nicht auf den deutschen Markt übertragbar seien. Crowdlending konnte zwar in diesem Segment an Bekanntheit und Volumen in den letzten Jahren zulegen, bleibt jedoch auf einem niedrigen Niveau und wächst nicht schnell genug, um Banken in den kommenden Jahren ernsthafte Konkurrenz zu machen, so das Fazit der Studie.
Mit statistischer Signifikanz stellte die Studie auch fest, dass vor allem Unternehmen mit einer niedrigen Eigenkapitalquote Interesse an Krediten durch die Crowd haben. In der aktuellen Niedrigzinsphase können die Befragten die Bankfinanzierungshürden noch überwinden. Steigende Zinsen könnten es für sie hingegen bei der klassischen Finanzierung eng werden lassen. Die OECD stellt in einem Bericht vom Dezember 2017 fest, dass sich viele sogenannte Zombie-Firmen nur aufgrund der Niedrigzinsen am Markt halten können. Es bleibt abzuwarten, ob in Hochzinsphasen für diese Unternehmen das Crowdlending zum Rettungsanker wird. Es liegt nahe, dass bei steigenden Zinsen auch die Crowd-Investoren höhere Zinsen verlangen werden. Damit entfiele für „Zombies“ die Alternative, da sie mit ihrer nicht ausreichenden Produktivität die höheren Zinsen nicht bewältigen können.
Technikaffiner Generationswechsel könnte die Situation verändern
Die Saat ist ausgebracht. Längerfristig gesehen könnte der Generationswechsel in den Leitungsfunktionen der Unternehmen dem Crowdlending zum Aufschwung verhelfen. Die Befragung brachte eine hohe Korrelation zwischen digitaler Technikaffinität und Bereitschaft zum Crowdlending zutage. Die Entscheidungsträger von morgen stammen aus einer technologiegewohnten Generation. Das macht ein steigendes Interesse an dieser Finanzierungsform wahrscheinlich.
Die jüngere Generation richtet den Blick auch auf die florierende Start-up-Szene in Deutschland. Da fand bereits das Equity-Crowdfunding Anklang. Auch Crowdlending hat bei diesen Unternehmen Potenzial. Banken meiden das unkalkulierbare Risiko der Kreditvergabe an Start-Ups. Die Crowd ist eher zu solchen Risiken bereit.
Auch Banken befassen sich mit Crowdlending
Die kürzliche Übernahme der Plattform Lendico durch die ING-DiBa und weitere Übernahmespekulationen zeigen, dass Crowdlending ein interessantes Konzept ist, mit dem sich auch Banken befassen. Da bleibt noch abzuwarten, ob die Integration von Plattformen in das Geschäftsmodell von Banken die Crowd-Kredite im KMU-Segment beflügelt oder ob sich die Banken im Rahmen des Open-Banking-Trends neue Vertriebswege für Konsumentenkredite sichern möchten.
„Bisher wehren sich deutsche Banken erfolgreich auch gegen diesen innovativen Angriff auf ihre Geschäftsmodelle – mit eigener Innovationskraft, hoher Kundenzufriedenheit und aufgrund ihrer guten und etablierten Kundenbeziehungen“, zieht Jano Koslowski Fazit.