Der Senat in Argentinien hat für eine Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen gestimmt. Die Frauenbewegung streikte bereits seit 30 Jahren für dieses Recht und konnte sich letztendlich auch gegen die Kirche durchsetzen. Mit einem Stimmanteil von 38 zu 29 und einer Enthaltung entschied sich der argentinische Senat für die Erlaubnis einer Abtreibung bis zur 14. Schwangerschaftswoche.
Kurz nachdem die Entscheidung bekannt gegeben wurde, herrscht große Erleichterung auf den Straßen Argentiniens: „Heute haben wir Geschichte geschrieben, mehr gibt es nicht zu sagen, wir haben uns ein Recht erkämpft, und unser Kampf wird weitergehen“ erklärt eine Demonstrierende, die vor dem Nationalkongress auf die Bekanntgabe gewartet hat. Die Abstimmung im Senat hat rund 13 Stunden gedauert und ging zugunsten der Liberalen aus. Bereits vor der Entscheidung waren Abtreibungen erlaubt, aber nur nach einer Vergewaltigung oder falls Gefahr für die Gesundheit der Mutter bestand. Die Schwangerschaftsabbrüche sollen nun aber kostenlos und durch das öffentliche Gesundheitswesen ermöglicht werden.
Die Vorlage für den Gesetzesentwurf brachte Argentiniens Präsident Alberto Fernández selbst in den Kongress ein. Im Jahr 2018 gab es einen ähnlichen Vorschlag, der aber vom Senat nicht angenommen wurde. Der Senator Sergio Leavy hatte vor zwei Jahren noch gegen das Abtreibungsgesetz gestimmt, aber bei der diesjährigen Entscheidung anders entschieden: „Ich weiß, wenn Frauen abtreiben wollen, tun sie es, heimlich. Wer kein Geld hat. Geht zu irgendeiner Heilerin, zu jemandem, der keinerlei Praxis hat. Die Frage ist doch: Geben wir diesen Frauen, die Möglichkeit, den Eingriff sicher im Gesundheitssystem vorzunehmen oder treiben wir sie zu einer Praxis, die ihnen das Leben oder für immer die Gebärfähigkeit raubt?“ Im Land wurden pro Jahr schätzungsweise 370.000 bis 520.000 illegale Abtreibungen in Privatkliniken durchgeführt. Norma Durango, die Präsidentin der Spezialkommission für Frauen im Senat erklärt: „Wenn die Abtreibungen im Verborgenen bleibt, werden weiterhin Frauen sterben. Die Alternative ist legal Abtreibung oder heimliche Abtreibung.“ Durchschnittlich 40.000 Frauen kommen pro Jahr ins Krankenhaus aufgrund von Komplikationen nach einem heimlichen Schwangerschaftsabbruch.
Der Satz „Es ley“ zu deutsch „Es ist Gesetz“ wurde kurz nach der Abstimmung zum Trend in in den argentinischen sozialen Netzwerken. „Die ist ein Sieg der Frauenbewegung in Argentinien, die seit Jahrzehnten für ihre Rechte kämpft“, so Mariela Belski von Amnesty International Argentinien. Grüne Flaggen und Tücher wurden zum Symbol für den Kampf für eine Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. Doch die Demonstration hatte auch viele Gegner, vorne dabei die katholische und evangelische Kirche. Sie wählten die Farbe hellblau für ihre Proteste. Auch vor dem Senat versammelten sich einige von ihnen, mit dabei ein Pappmaché-Fötus, der mit Kunstblut beschmiert wurde. „Auf dem Spiel steht, dass Argentinien seinen ersten nationalen Genozid absegnet. Mit diesem Gesetz werden Millionen Argentinier ausgerottet. Ihr Deutschen wisst sehr genau, was er bedeutet, dass ein Staat einen Teil seiner Bevölkerung zur Exterminierung freigibt“, erklärt Pater Javier der Tagesschau. Auch vom Papst Franziskus wurde diese Gegenbewegung unterstützt, der sich auf Twitter gegen die Gesetzesvorlage aussprach.
Aktivistin Vero Gago glaubt, dass die Entscheidung in Argentinien ein Anstoß sein könnte für viele weitere Lateinamerikanische Länder ihre Abtreibungsgesetze zu lockern: „Das ist von großer Bedeutung in einer Zeit, in der wir erleben, wie eine fundamentalistische Rechte, gemeinsam mit der Kirche versucht, die Uhr zurückzudrehen und Rechte einzuschränken. Wir bekommen Nachrichten von Frauenbewegungen aus der ganzen Welt, wie wichtig unser Kampf hier für ihre eigenen Kämpfe ist.“ In den meisten anderen Ländern auf dem Kontinent sind Abtreibungen nur in Einzelfällen legal. In Kuba, Guayana, Französisch-Guayana, Uruguay und einigen Teilen von Mexiko sind sie erlaubt. „In El Salvador, Honduras, Nicaragua, Haiti und der Dominikanischen Republik steht jegliche Form von Abtreibung unter Strafe und wird mit hohen Gefängnisstrafen geahndet“, wie die Süddeutsche schreibt. Ob die Legalisierung in Argentinien wirklich den Wegbereiter für weitere südamerikanische Länder darstellt bleibt vorerst abzuwarten. Dennoch ist die Entscheidung ein großer Gewinn für argentinischen Frauen und setzt ein Zeichen für mehr Selbstbestimmung.