In Norwegen wurden im vergangenen Jahr erstmals mehr Elektroautos als PKW mit Benzin- oder Dieselmotor gekauft. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung fährt mit elektrischem Antrieb. Trotz des vergleichsweisen kleinen Marktes wird Norwegen immer attraktiver für Autohersteller.
Norwegen ist weltweit das erste Land mit einer Elektroauto-Quote von über 50 Prozent. Lange Zeit war der norwegische Markt für die Autoindustrie wegen seiner überschaubaren Einwohnerzahl vergleichsweise uninteressant. Doch das skandinavische Land investiert seit längerem in die Förderung von Elektroautos und hat damit eine Vorbildfunktion für die Branche, die den norwegischen Automobilmarkt lukrativ macht. Inzwischen ist es das erste Land, in dem innerhalb eines Jahres mehr als die Hälfte der Neuzulassungen batteriebetriebene Fahrzeuge sind, wie aus den Zulassungszahlen des so genannten Informationsrates für Straßenverkehr in Oslo am Dienstag hervorging. Demnach hatten 54,3 Prozent aller neu angemeldeten PKW einen elektrischen Antrieb. Zum Vergleich: 2019 lag dieser Anteil nur bei 42,4 Prozent.
Mit Blick auf die Hersteller liegen besonders Volkswagen, der japanische Hersteller Nissan und der US-Elektroautohersteller Tesla auf der Rangliste ganz oben. Die meistverkauften Modelle waren der Audi e-tron, das Model 3 von Tesla, der Volkswage ID.3 und der Nissan Leaf. Bei allen Modellen handelt sich um reine Elektroautos. Für Audi-Chef Markus Duesmann ist Norwegen der progressivste Markt der Welt, wie er kürzlich mitteilte. Sein vielverkauftes Modell Audi e-tron biete viele Vorteile in dem oft schneebedeckten Land und ist dank der staatlichen Förderung in Norwegen für die Bevölkerung erschwinglich.
Benziner und Diesel-Fahrzeuge erreichten im Jahr 2019 lediglich Marktanteile von je 16 Prozent auf dem norwegischen Markt. Im vergangenen Jahr sind diese noch einmal auf 8 beziehungsweise auf rund 9 Prozent gefallen. Zum Vergleich: In Deutschland machten Verbrennungsmotoren im vergangenen Jahr einen Marktanteil von rund zwei Dritteln aus. Reine Elektroautos kamen dagegen lediglich auf einen Marktanteil von 6,7 Prozent.
Die Vorreiterrolle Norwegens in der E-Mobilität ist vor allem auf den Willen des Staates zurückzuführen, den Ausstieg aus dem Verbrenner-Zeitalter so schnell wie möglich zu schaffen. Die Regierung gab bereits im Jahr 2016 bekannt, den Verkauf von PKW und leichten Nutzfahrzeugen mit Verbrennungsmotoren bis 2025 auf Null herunterzufahren. Dazu ist das Land, das selbst mit dem Verkauf von Öl aus der Nordsee einen Großteil seiner Einnahmen erzielt, den Bürgerinnen und Bürgern entgegengekommen. So sind Elektroautos in Norwegen fast komplett von der Steuer befreit, so dass sie bei den Kosten mit Diesel und Benzinern mithalten können. Seit dem Jahr 2001 sind sie von der Mehrwertsteuer in Höhe von 25 Prozent ausgenommen. Die damit einhergehende Preisreduktion hatte vergangenes Jahr dazu geführt, dass Audi gut 9200 E-Trons verkaufte. Der für die batteriebetriebenen Autos benötigte Strom wird in Norwegen fast ausschließlich mit Wasserkraft erzeugt. Hinzu kommt eine Reihe von Bevorzugungen im Verkehr, wenn man in Norwegen umweltfreundlich unterwegs ist. Die Fahrer dürfen zum Teil kostenlos auf städtischen Parkplätzen parken und Busspuren nutzen. Auf Fähren dürfen Elektroautofahrer kostenlos mitfahren und müssen auch keine Mautgebühren bezahlen.
Doch nicht nur die E-Mobilität wird in Norwegen vorangetrieben. Der Staat steckt zudem seine Gewinne aus dem Verkauf fossiler Energieträger in den Ausbau der Infrastruktur und errichtet beispielsweise Ladestationen auch in ländlichen Regionen. Der Fokus liegt dabei auf einem flächendeckenden Schnelllade-Netz, dessen Ausbau seit 2017 gefördert wird. Das Ziel war damals, an den Hauptverkehrsachsen des Landes in Abständen von 50 Kilometern mindestens zwei Schnellladepunkte zu errichten. Seitdem wurde das Programm erfolgreich ausgeführt, so die „Norwegian Electric Vehicle Association“, eine Lobbyorganisation für Elektromobilität.
Zudem wird in Norwegen die Nutzung fossiler Antriebe versteuert. Eine schon bestehende Abgabe auf Kohlendioxid soll bis 2030 schrittweise von den aktuellen 57 Euro auf ungerechnet 195 Euro je Tonne CO2 steigen. Im Vergleich dazu ist Deutschland in Sachen E-Mobilität weit von Norwegen entfernt. Die Versteuerung von CO2 wurde erst in diesem Jahr eingeführt und beträgt nur 25 Euro Abgabe pro Tonne CO2-Emissionen. Zwar wächst in Deutschland der Anteil von reinen Elektrofahrzeugen und Hybridautos, jedoch nur auf vergleichsweise niedrigem Niveau. Nach Angaben des Center of Automotive Management (CAM) lag der Anteil bei Neuzulassungen im vergangenen Jahr bei 12,6 Prozent. Nur knapp die Hälfte der geschätzt 360.000 verkauften E-Autos waren Fahrzeuge mit reinem Elektronantrieb. Eine aktuelle CAM-Studie prognostiziert einen Anteil der Neuzulassungen von 27 Prozent im Jahr 2025 in Deutschland. Doch dann soll im Nachbarland Norwegen bereits kein Benzin- oder Dieselfahrzeug mehr erhältlich sein. Da sind die Norweger den Deutschen meilenweit, oder sollte man sagen „Lichtjahre“ voraus.