Seit Jahren sinkt die Anzahl von Sozialwohnungen in Deutschland. Ein Bündnis aus Verbänden fordert nun Bund und Länder auf ihre Investitionen deutlich zu erhöhen.
Aus einer Studie des hannoverschen Forschungsinstituts Pestel geht hervor, dass deutschlandweit ein großer Mangel an Sozialwohnungen und bezahlbarem Wohnraum besteht.
Das Verbändebündnis „Soziales Wohnen“ hatte die Studie in Auftrag gegeben und am 22. August 2019 einen „Akutplan für soziales und bezahlbares Wohnen“ veröffentlicht.
Demnach müssten bis 2030 jährlich mindestens 80.000 neue Wohnungen entstehen und 75.000 weitere angekauft werden. Zudem sollten für Geringverdiener, die knapp oberhalb der Einkommensgrenze für eine Berechtigung auf eine Sozialwohnung liegen, mindestens 60.000 bezahlbare Wohnungen gebaut werden. Insbesondere in Ballungsgebieten sei dies notwendig.
Sozialwohnungen stehen nur Menschen mit einem Wohnberechtigungsschein zur Verfügung. Diesen können Antragsteller erhalten, wenn ihr Einkommen unterhalb einer bestimmten Grenze liegt, welche von Bundesland zu Bundesland variiert. Die Mietpreise der Wohnungen sind vom Staat reguliert und daher relativ gering. Ein Grund für den Wegfall vieler Sozialwohnungen ist, dass die sogenannte Belegungsbindung endet und die Besitzer nach einer bestimmten Zeitspanne ihren Wohnraum dem freien Markt zur Verfügung stellen können. Seit 2011 sind rund 500.000 mehr Sozialwohnungen weggefallen als neue gebaut wurden.
Die Verbände fordern eine deutliche Erhöhung der Investitionen von Bund und Ländern: Demnach solle der Bund seine Förderung mehr als verdoppeln und die Länder das 3,5-Fache zahlen.
Bis 2030 müssten jährlich mindestens 9,3 Milliarden Euro bereitgestellt werden. Zudem seien Anreize für die Bauwirtschaft mit Hilfe von steuerlichen Vorteilen ebenso notwendig wie eine Bereitstellung von Bauland, dessen Preise 300 Euro pro m² nicht überschreiten sollten.
Zusätzlich fordern die Autoren für 10 Prozent aller neugebauten Sozialwohnungen eine Barrierefreiheit, um Wohnraum „für am Wohnungsmarkt besonders benachteiligte Gruppen“ zu reservieren. Es brauche dringend ein solches Kontingent, um „besonders marginalisierten Gruppen den Zugang zu Wohnraum überhaupt zu ermöglichen“. Außerdem solle eine sogenannte Härtefallkommission eingesetzt werden, die die Interessen dieser Betroffenen vertritt.
Die Verbände, bestehend aus: Caritas, Deutscher Mieterbund, Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau, Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel und Gewerkschaft IG BAU, kritisieren die gegenwärtige Politik, da „die vorgegebene politische Zielsetzung von 375.000 Wohnungen pro Jahr weder quantitativ noch qualitativ erreicht wird.“ Zudem spitze sich die „Wohnraumfrage als soziale Frage zu“.
Laut einer Schätzung der BAG Wohnungslosenhilfe lebten im Jahr 2017 circa 650.000 Menschen ohne Wohnung. Hauptgründe seien nicht bezahlbarer Wohnraum, zu wenige Sozialwohnungen und eine Manifestierung von Armut.
Die Politik wird nicht nur von den Verbänden kritisiert. So wird in einer Studie von Ulrich Jacke aus dem Jahre 2017 deutlich, dass auch Investoren die fehlenden Anreize des sozialen Wohnungsbaus beklagen. So sei vor allem die geringe Rendite ein Hindernis für die Investition. Zudem fehle es an Möglichkeiten die Miete anzupassen und die Förderprogramme seien mit knapp 20 Jahren deutlich zu lang. Außerdem beklagten 36 % der Befragten die Problematik, dass „sozialschwache“ Mieter andere Mieter abschrecken würden.
Ulrich Jacke, Geschäftsführer der Immobilienberatungsfirma Dr. Lübke & Kelber, hatte über 1000 Unternehmen aus der Immobilienbranche zur Thematik befragt, nachdem er einen erheblichen Bedarf an sozialem und bezahlbarem Wohnraum festgestellt hatte.
Eine weitere Hürde wird 2020 der Stopp der jährlichen Zahlungen des Bundes an die Länder sein, da dieser dann seine Förderung für sozialen Wohnraum von 1 Milliarde einstellen will.