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Neuer Gesetzesentwurf für verschärfteren Lockdown

Der Bund soll mehr Macht in der Corona-Politik erhalten. Das Infektionsschutzgesetz wird verschärft. In Corona-Hotspots gelten Ausgangssperren ab 21 Uhr und Schulen öffnen nur mit Tests. Der neue Entwurf der Bundesregierung für die neuen Lockdown-Regeln wird derzeit noch diskutiert. Virologe Streeck lehnt einen Lockdown mit Ausgangssperre ab.

Im Kampf gegen die Corona-Pandemie plant die Bundesregierung weitere Verschärfungen. Dazu gehört eine strikte Ausgangssperre und weitere Einschränkungen privater Kontakte, heißt es in dem neuen Entwurf zum neuen Infektionsschutzgesetz des Bundes, der laut Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) am späten Freitagnachmittag in die Abstimmung zwischen den beteiligten Ministerien gegeben worden ist. Die Bundesregierung wolle die dritte Welle endlich brechen. Vizekanzler und Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sagt, das Ziel sei „mehr Klarheit und Transparenz“ für die Bürger/innen und fügte hinzu: „Alle müssen wissen, woran sie sind.“ Damit spielt Scholz vor allem auf bundeseinheitliche Regelungen an, wie etwa, wenn in einem Land- oder Stadtkreis die Sieben-Tage-Inzidenz über den Wert 100 ansteigt. Der Maximalwert wurde Anfang März von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Ministerpräsidenten beschlossen. Sollte der Wert 100 übersteigen, werden besonders einschneidende Maßnahmen getroffen, um die Infektionszahlen wieder zu senken.

Bisher war die „Notbremse“ umstritten. Die Länder nutzten ihre Möglichkeiten, sie nach ihren eigenen Vorstellungen umzusetzen. Derzeit liegen viele Kreise in Deutschland bereits wieder über dem Wert 100. In Berlin liegen (Stand Freitag) nach den Zahlen des Robert Koch Instituts (RKI) noch alle Bezirke darunter. Die anberaumte Ministerpräsidentenkonferenz war am Montag abgesagt worden. Stattdessen hat sich die Bundesregierung dazu entschlossen, das Infektionsschutzgesetz zu ändern, um den Lockdown einheitlich für den gesamten Bund zu verschärfen. „Das Infektionsschutzgesetz soll künftig eine bundeseinheitliche verbindliche Notbremse vorsehen. Diese soll dann greifen, wenn in einem Landkreis die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen über 100 steigt“, teilte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer am Freitag mit. Der Entschluss zur Einheitlichkeit geschah in „engem Einvernehmen“, betonte Demmer.

Laut dem Entwurf treten die Maßnahmen in Kraft, sobald die Inzidenz im Landkreis drei Tage lang über 100 liegt und gelten vom übernächsten Tag an. Dazu gehört eine strikte Ausgangssperre von 21 Uhr bis 5 Uhr. Die Bewohnerinnen und Bewohner dürfen ihre Räumlichkeiten in dieser Zeit nicht verlassen, es sei denn zur Versorgung von Tieren, zu medizinischen Notfällen, aus beruflichen Gründen oder zu Betreuung von Kindern, Alten und Kranken. Alle Geschäfte sowie die Gastronomie werden geschlossen. Ist der Inzidenzwert von 100 drei Tage lang unterschritten, können die Maßnahmen wieder gelockert werden. Private Zusammenkünfte werden weiter verschärft. So darf jeder Haushalt nur noch einen Gast je Tag empfangen. Kindergärten und Schulen dürfen nur noch Kinder vor Ort empfangen, die zwei Mal in der Woche getestet werden – und auch das nur, solange die Inzidenz unter 200 bleibt. Sollten Kindergärten und Schließen werden ein Fünftel der Kinder in der Notbetreuung weiter betreut – unabhängig davon, ob sie wegen der Inzidenz oder wegen mangelnder Tests schließen.

Die Arbeit soll, wo es möglich ist, im Homeoffice stattfinden. Arbeitgeber müssen laut dem verschärften Infektionsschutzgesetz mit einem Bußgeld rechnen, wenn sie ihren Mitarbeitern kein Homeoffice ermöglichen, wo es eigentlich möglich wäre. Eine Testpflicht am Arbeitsplatz sieht der Entwurf bisher nicht vor. Eine entsprechende Verordnung soll laut Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) in der kommenden Woche in der Bundesregierung diskutiert werden, mit der die Arbeitgeber verpflichtet werden sollen, ihren Mitarbeitern Tests anzubieten. Die Bundesregierung soll zudem weitere Verordnungen erlassen dürfen.

Bislang ist noch nicht klar, ob der Entwurf weiter verändert wird, bevor er kommende Woche in den Bundestag geht. Besonders umstritten sei, dass sich die Maßnahmen an der Sieben-Tage-Inzidenz orientieren sollen, die nicht immer zuverlässig angegeben wird und mit fortschreitender Impfkampagne an Aussagekraft verliert. Doch das Gesetz lasse sich zur Not binnen einer Sitzungswoche ändern, „wenn alle wollen“, erklärte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU).

Virologe Hendrik Streeck lehnt eine Verschärfung des Lockdowns mit Ausgangssperre ab. Es sei nicht die Lösung, dass sich die Menschen in ihre privaten Räumlichkeiten zurückziehen, „wo keiner sehen kann, ob die Regeln eingehalten werden“. Er fordert: „Wir schaffen sichere Bereiche draußen, wo die Menschen sich treffen können, anstatt sie weiter zusammenzudrängen“. Ein Beispiel dafür wären laut dem Virologen gelüftete Turnhallen mit Sicherheitspersonal. Auch FDP-Abgeordnete Oliver Luksic kritisierte die Verschärfung: „Massive Grundrechtseingriffe dürfen nicht nur an einem Statistikwert des RKI und den nicht immer aktuellen Meldungen der Gesundheitsämter hängen. Die steigende Impfrate völlig auszublenden ist ein Fehler, nächtliche Ausgangssperren sind besonders unverhältnismäßig.“

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