Die Lage am Versicherungsmarkt für Lebensversicherer ist nach wie vor äußerst angespannt, zumal es keine Hoffnung auf eine Leitzinserhöhung gibt. Man sollte sich fragen, warum nicht endlich mal jemand Herrn Draghi, dem Präsidenten der europäischen Zentralbank, auf die Finger klopft und ihm die angespannte finanzielle Situation in Europa vor Augen hält. Seine Politik ist es schuld, dass deutsche Kapitalanleger um ihre Zusatzrenten und Erträge aus Lebensversicherungen bangen müssen. Die guten Zeiten, in denen man halbwegs gute Zinsen auf Kapital bekam, sind lange vorbei. Daran haben die Versicherungen hart zu knabbern. Sie müssen ihr Investitionskonzept komplett umkrempeln.
Wenn es um Erfolg bei der Kapitalanlage geht, legt Allianz-Leben-Chef Markus Faulhaber neuerdings jede Bescheidenheit ab. Beim Geldverdienen sieht er sein Haus ganz weit vorne — und die Konkurrenz deklassiert. Man halte dreimal so viel Aktien wie andere, trompetete er kürzlich in Frankfurt. Mittelfristig soll zudem jeder dritte Euro in alternative Anlageformen fließen. Alles für mehr Kundenrendite. Staatsanleihen und Pfandbriefe sind passé. Der Marktführer hat gut reden. In Sachen Kapitalanlage macht ihm derzeit tatsächlich kaum jemand etwas vor. Im vergangenen Jahr erwirtschaftete die Allianz Leben eine stattliche laufende Verzinsung von 4,6 Prozent — und damit einen Prozentpunkt mehr als der Markt. Die oft konservativen Lebensversicherer können innovative Investments gut gebrauchen — und vor allem Anlageerfolge. Allein um Altverträge mit hohen Garantien wetterfest zu machen, musste die Branche zuletzt 1,6 Prozent Rendite verdienen. Die laufenden Zinsgutschriften für Millionen Sparer kommen noch on top. Da wird es eng. Jetzt hilft — wieder einmal die Bundesregierung: Einem Referentenentwurf zufolge soll künftig weniger Geld in den mittlerweile gut gefüllten Sicherungstopf für Altgarantien gepumpt werden. Bereits in diesem Jahr müssten statt der erwarteten 22 Mrd. Euro branchenweit dann nur noch 7 bis 8 Mrd. Euro in die Rücklage fließen, schätzt die Ratingagentur Assekurata. Das wäre eine enorme Entlastung.
Die neue Regelung würde den Lebensversicherern spürbar mehr Luft verschaffen. Auch für die Kunden sind das gute Nachrichten, weil die Erträge der Unternehmen nicht mehr so massiv in Garantiesicherung fließen könnten, sondern zumindest perspektivisch auch mal wieder als Überschuss auf ihr Konto. Noch viel wichtiger ist: Viele Anbieter mussten bisher ihre Reserven plündern und hochprozentige Zinspapiere verscherbeln, um die Verpflichtungen aus den Altgarantien überhaupt noch stemmen zu können — auch das schmälerte die mittelfristigen Ertragsaussichten für Kunden ganz erheblich. Wie es derzeit steht, zeigt die alljährliche Leistungsschau der Branche in Capital. Nur zwei Kandidaten schneiden in allen Prüfkategorien herausragend ab: Die Allianz und die kleine, aber feine R+V a.G. punkten mit Solidität, Sicherheit und positiven Kennzahlen — und zeigen auch im Produktvergleich ordentliche Renditeaussichten.
EINIGE ANBIETER RUTSCHEN AB
Auch die 70 Millionen Altkunden können im neuen Rating verfolgen, wie sich ihre Gesellschaft schlägt. Die Topnote von fünf Sternen vergab das unabhängige Analysehaus Morgen & Morgen (M&M) immerhin an neun Versicherer. Allerdings rutschten einige auch ab: Barmenia, Landeslebenshilfe und Provinzial Nordwest sind jetzt „sehr schwach“, die Süddeutsche schaffte nur noch ein „schwach“. Für Versicherte ist das ein Signal, aktuelle Nachrichten und ihre jährlichen Standmitteilungen besonders wachsam zu verfolgen.
Nach vielen mageren Jahren würden sich jetzt vor allem Versicherungsnehmer, die ihre Police erst in den vergangenen zehn Jahren abgeschlossen haben, über höhere Gutschriften freuen. Anders als Altkunden aus den 90er-Jahren erhalten sie nämlich nur eine überschaubare Garantieleistung — und sind daher dringend auf zusätzliche Überschüsse angewiesen.
Wohin also fließt das Geld, das Unternehmen durch die Berliner Pläne zusätzlich zur Verfügung haben? Zu den Profiteuren gehören insbesondere Anbieter mit hohen Garantielasten wie die Koblenzer Debeka. Sie müsste in diesem Jahr statt 1,5 Mrd. Euro nur noch rund 500 Mio. Euro für Rückstellungen ausgeben. Bekommen ihre Kunden jetzt wieder höhere Überschüsse? Nein, sagt Debeka-Vorstand Normann Pankratz. Man löse weniger hoch verzinste Papiere auf, die als Zinsträger dann weiterhin gute Renditen zugunsten der Kunden brächten. Aus schnellen Extra-Erträgen wird aber wieder einmal nichts. Auch Marktbeobachter glauben noch nicht, dass es mit den Überschüssen aufwärts geht. „Die Gewinnaussichten der Kunden für 2019 werden sich durch die Neuregelung bestenfalls stabilisieren“, urteilt M&M-Analyst Thorsten Saal.
Tatsächlich war die Lage in einigen Unternehmen so ernst, dass die Berliner Pläne wohl nur das Schlimmste verhindern. 34 Versicherer stehen jetzt schon unter intensiver Aufsicht der Bafin, die das früher einmal „Manndeckung“ nannte. Immer mehr Gesellschaften steigen endgültig aus dem klassischen Geschäft aus und verwalten ihre Altverträge nurmehr (Ergo, Süddeutsche) oder verkaufen gleich an einen externen Abwickler (Axa, Generali).
„Man darf sich nichts vormachen, die Lage der Lebensversicherer bleibt angespannt“, mahnt Assekurata-Experte Lars Heermann. Selbst wenn es nicht zu einer Schieflage komme, müssten Kunden damit rechnen, dass weitere Anbieter vom Markt verschwinden. Wer also heute eine Police abschließt, um sich eine lebenslange Rente zu sichern, sollte mehr denn je auf die Solidität des Versicherers achten — und auf möglichst viele Sterne im Rating.