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Führungsposition wieder aufgeben?

 

Torsten ist Mitte 30 und ein ruhiger, aber keinesfalls schüchterner Typ. Seit seiner Kindheit beschäftigt er sich mit Computern und ist gern auf dem allerneuesten Stand. Das Unternehmen, bei dem Torsten als IT-Entwickler arbeitet, ist im vergangenen Jahr durch eine tiefe Krise gegangen, in der es eine anhaltend schlechte Auftragslage notwendig machte, sich von einigen Mitarbeitern zu trennen. Torstens Team wurde halbiert, sein Teamleiter kündigte kurz darauf. Und obwohl es seit dem Frühjahr wieder aufwärtsgeht, ist die Stimmung immer noch verkatert. Die Radikalität der Maßnahmen sitzt tief.

Torsten hat in der Zeit Verantwortung übernommen, die Moral hochgehalten und sichergestellt, dass die verbleibenden Projekte gut abgeschlossen werden. Seinem Chef war das nicht entgangen, und so bot er Torsten die Position des Teamleiters an. Für Torsten ein schönes Kompliment, das er gern annahm. Wusste er, worauf er sich einließ? Nein, wusste er nicht.

Die ersten Wochen war er hoch motiviert bei der Sache, und auch das verbleibende Team schien mit ihm als „Neuem“ zufrieden. Bald aber wuchs ihm die Kombination aus der Verantwortung für das Team und gleichzeitigem operativem Arbeiten über den Kopf. Für alle vordenken, Projekte planen, nachhalten und dazu noch selbst arbeiten? Das klappte vorn und hinten nicht. Torsten gab sich zeit, aber souveräner wurde er nicht. Er nahm sich einen Coach und lernte, mehr zu delegieren. Aber wirklich besser wurde es auch damit nicht. Und mit der Zeit stieg der Frust, Torsten wurde härter im Ton und teilweise ungerecht — Spaß machte ihm sein Job nicht mehr. Der erlösende Geistesblitz kam eines Morgens im Urlaub: Wer sagte denn eigentlich, dass er dies bis zum Ende seiner Tage machen musste? Könnte er nicht einfach die Teamleiterstelle niederlegen? Gesagt, getan. Nach seinem Urlaub gab es ein Offenes Gespräch mit seinem Chef und die Bitte, ihn aus der Verantwortung zu entlassen und einen neuen Teamleiter einzustellen. Sein Chef war überrascht, respektierte aber diesen Wunsch, und Torsten ging zurück in sein Team. Unkompliziert und ganz ohne Drama. Die Geschichte klingt ein bisschen langweilig, finden Sie nicht? Aber genau das macht sie so charmant – weil die wenigsten bereit sind, so konsequent zu handeln. Denken Sie sich mal durch Ihr Unternehmen: Wie viele sind dort nach einem Aufstieg überfordert, bleiben aber einfach auf der Position sitzen, sind unglücklich und frustrieren so ihr Umfeld? Die Geschichte von Torsten aber zeigt, dass ein Schritt zurück nicht mit einem Gesichtsverlust einhergehen muss, wenn jemand ehrlich zu sich selbst ist und seine eigenen Grenzen respektiert. Sondern Kollegen und Freunde eher Hochachtung vor so viel Klarheit und Eigenverantwortung haben.

 

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