Der Boom brach 2017 aus, als der Bitcoin bei über 19.000 US-Dollar notierte. Danach kamen starke Schwankungen, die den Anleger arg verunsicherten. Und danach? Erst einmal durchatmen und mit dem Thema Digitalgeld auseinandersetzen – so die Devise vieler Interessenten und Investoren.
Eine kleine Geschichte von Information und Fantasie: Kryptowährung — was ist das überhaupt und wie funktioniert es? Wikipedia bezeichnet eine Kryptowährung oder Kryptogeld als ein „digitales Zahlungsmittel, das mit Prinzipien der Kryptographie erstellt (z. B. durch Mining (englisch für schürfen) und transferiert wird, um ein dezentrales und sicheres Zahlungssystem zu realisieren.“ Anders als uns bekannte Währungen wie Euro, Dollar, Pfund oder Yen sind Kryptowährungen kein physisch gedrucktes beziehungsweise von Zentralbanken erzeugtes Zahlungsmittel, sondern werden dezentral von vielen Menschen rund um den Globus mit Computerpower errechnet. Es ist also rein digitales Geld. Es gibt keine Scheine oder Münzen. Damit besteht ein grundsätzlicher Unterschied zum uns geläufigen Geld darin, dass eine einzelne Partei nicht allein in der Lage ist, die Produktion von Bitcoins oder anderem Kryptogeld zu beschleunigen, zu beeinträchtigen oder in irgendeiner Weise wesentlich zu missbrauchen. Durch seinen dezentralen Aufbau kann so beispielsweise der Bitcoin – wie fast alle anderen Kryptowährungen übrigens auch – nicht von der Zentralbank unendlich geschöpft oder manipuliert werden.
Startschuss in 2008
Der Startschuss für die erste Kryptowährung fiel im Herbst 2008. Angeblich hat ein Softwareentwickler mit dem Pseudonym Satoshi Nakamoto den Bitcoin erschaffen. Dennoch ist bis heute ungeklärt, ob es sich hierbei um eine einzelne Person oder um eine Gruppe handelt. Damals, vor rund zehn Jahren, als der Bitcoin aus der Taufe gehoben wurde, brach die Finanzkrise so richtig los und die Börsen weltweit gingen auf Talfahrt. Dies kann sehr wohl der Grund für den Wunsch nach einem neuen, besseren Geld gewesen sein. Mittlerweile gibt es über 4.500 verschiedene Kryptowährungen! Um den Einstieg zu erleichtern, konzentrieren wir uns im Folgenden auf den Bitcoin, denn er war die erste Kryptowährung und ist aktuell das bekannteste und auch vom Handelsvolumen größte Kryptogeld. Das Wort Bitcoin setzt sich aus den beiden englischen Wörtern „Bit“ und Coin“ zusammen. „Bit“ ist die kleinste Informationseinheit im Binärcode, der zwei Zustände abbildet: „O“ oder „1″; vergleichbar mit „ja“ oder „nein“. „Coin“ ist der englische Begriff für Münze. Der Bitcoin hat alle Eigenschaften, wie man sie von Geld als Tauschmittel erwartet, nämlich: allgemeingültig, teilbar, sicher, transportierbar und knapp. Er wurde als reines Zahlungsmittel entwickelt. Ganz zum Start hatte ein Bitcoin noch einen Gegenwert von weniger als 0,01 US-Dollar, also unter 1 Cent. Im Mai 2010 fand eine erste Transaktion statt. Zwei Pizzas wurden für den Gegenwert von 10.000 Bitcoins erworben und geliefert. Wie einleitend beschrieben, hat sich der Kurs daraufhin in den Folgejahren geradezu dramatisch entwickelt. Übrigens: Stand der Bitcoin gegen Ende 2017 noch bei über 19.000 US-Dollar, so ist der Kurs bis heute auf rund 7.000-8.000 US-Dollar deutlich eingeknickt. Die Währung unterliegt also sehr starken Bewegungen.
Wie entsteht das „Geld“?
Der Bitcoin basiert ausschließlich auf Mathematik. Weltweit benutzen Menschen eine Software, die einer mathematischen Formel folgt, um Bitcoins zu generieren (auch Mining genannt). Neues Geld wird also errechnet. Im Gegensatz zu den normalen Währungen ist die Zahl der Bitcoins, die geschürft werden können, begrenzt, und zwar auf 21 Millionen. Derzeit befinden sich über 16 Millionen Bitcoins im Umlauf. Bitcoins können also nicht so einfach beliebig von einer Zentralbank bei Bedarf gedruckt werden. Die Coins können bis zu einem Hundertmillionstel aufgeteilt werden und heißen Satoshi. Die Bitcoin-Software ist eine sogenannte Open-Source-Software. Das bedeutet, dass es jedem möglich ist, nachzuvollziehen, was diese Software genau macht und ob sie ihren Zweck erfüllt. Die Technologie, die dem Bitcoin zugrunde liegt, ist unter dem Namen Blockchain bekannt. Man kann sich die Blockchain als ein riesiges Registerbuch vorstellen, in dem sämtliche Transaktionen aufgezeichnet sind, die jemals weltweit gemacht wurden. Es ist eine gesamthafte Aufzeichnung darüber, wer was wann besitzt und besessen hat. Jede Transaktion fügt der Informationskette einen weiteren Baustein hinzu. Die Speicherung der Daten erfolgt aus Sicherheitsgründen mehrfach, verschlüsselt und dezentral. Das Netzwerk wird von keiner zentralen Institution kontrolliert. Jeder Computer, der Bitcoins errechnet und transferiert, ist Teil des Netzwerks. Sollte das System aus irgendeinem Grund offline gehen, bleiben die Bitcoins dennoch erhalten. Das gesamte Protokoll der Blockchain kann theoretisch auf einer Festplatte gespeichert oder sogar auf Papier ausgedruckt werden.
Die Eröffnung eines Bitcoin-Kontos (genannt „Wallet“) kann jeder ohne Einschränkung von einem Computer machen. Die Wallets sind öffentlich und anonym, enthalten also keine persönlichen Daten wie Name oder Adresse. Jeder andere Nutzer im System kann also einsehen wie viele Bitcoins auf einem Wallet sind, ohne zu wissen, wem das Konto tatsächlich gehört und welche Transaktionen erfolgt sind. Die Blockchain ist also zu 100% transparent. Ein Transfer von Bitcoins erfolgt direkt von einem Computer zum anderen, also ohne Mittler, wie eine Bank bei Überweisungen, wie wir sie sonst kennen. Das spart neben Zeit auch Geld. Transaktionen erfolgen innerhalb weniger Minuten weltweit.
Welche Themen stehen in der Diskussion um Digitalwährungen aktuell im Vordergrund?
Die Unabhängigkeit von Banken und Zentralbanken eröffnet vielen Individuen und Gruppierungen die Möglichkeit, mit digitalem Geld zu agieren, im Guten wie im Schlechten. Spekulanten entdecken die neuen Währungen für sich. Auch dem kriminellen Milieu wird eine Hinwendung zu Digitalwährungen zugeschrieben. Gleichzeitig öffnen sich Börsen und Hedgefonds diesen Währungen. Es gibt durchaus Angebote, Bitcoins als Zahlungsmittel zu nutzen. Nicht wenige Bitcoin-Besitzer horten die Währung in Erwartung von Kursgewinnen. Befürworter assoziieren Digitalwährungen mit Gold und raten, gleich mehrere Kryptowährungen zu besitzen, zu diversifizieren. Skeptiker hingegen führen verschiedene Vergleiche an: Sie reichen von „Briefmarkensammlung“ bis „Schneeballsystem“.
Auffällig viele autoritäre Staaten haben konkrete Pläne für eigene Digitalwährung. Sie sehen in ihnen eine clevere Finanzierungsmöglichkeit. China, Russland, die Türkei und der Iran planen die Einführung eigener Kryptowährungen. Das krisengeschüttelte Venezuela hat den digitalen „Petro“ eingeführt. Venezuela steckt in einer tiefen Rezession. Den Schätzungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge schrumpfte die Wirtschaft des Landes 2017 um 12%. Die Inflationsrate übersteigt 4.000%. Der „Petro“ soll die Finanznot des Landes lösen und die Inflation durch seine eigene Stabilität eindämmen.
Sorgen über verstärkte Regulierungen auf internationalem Niveau und überwiegend vorsichtige bis negative Einschätzungen von Banken und Zentralbanken begleiten die Entwicklung. Auch die Bundesanstalt für die Finanzdienstleistungsaufsicht „BaFin“ beobachtet die Entwicklung. Unklar, sagt sie, sei der Charakter der Digitalwährung: Ist sie Finanzinstrument, Wertpapier, Anteil an einem Investmentvermögen, Vermögensanlage oder Basiswert für ein derivatives Geschäft? Für jeden Typ gebe es gesetzliche Regelungen, die aus Sicht der BaFin anzuwenden wären. Eine Regulierung, so die BaFin, könne bald erfolgen.
Es stellt sich bei mehreren tausend Kryptowährungen die Frage, welche Währungen sich durchsetzen werden. Entscheidend dafür werden auch Sicherheitsaspekte sein. Der „moderne Bankräuber“ hat es auf die Digitalwährungen abgesehen und versucht EDV -Systeme zu hacken, um Währungseinheiten abzuzwacken. Erste „digitale Raubüberfälle“ hat es bereits gegeben.
Wie kann es mit den Digitalwährungen weitergehen?
Möglicherweise weisen Kryptowährungen heute den Reifegrad auf, den das Internet in den 90er-Jahren hatte. Es dominieren Entwicklungsdynamik, die zunehmende Vielfalt und vielschichtige Komplexität sowie eine hohe Volatilität der größten Digitalwährung Bitcoin. Nach einem Ausleseprozess wird es – ähnlich wie bei den Geschäftsbanken – mehrere relevante Akteure geben. Die grundsätzlichen Bedenken hinsichtlich einer Verwendung als alternatives Zahlungs- und Finanzierungsmittel sollten dann schrittweise weichen. Wie bei jeder anderen Währung ist das Vertrauen in das Zahlungsmittel die entscheidende Grundlage. Und mit einem Geldschein haben wir ja „was in der Hand“, aber das bargeldlose Bezahlen schreitet immer weiter voran und dürfte zur Akzeptanz auch alternativer Währungen beitragen.
Wenn schon der bekannte Fondsmanager Hendrik Leber in seinem „Acatis Datini Value Flex“-Fonds über 5% in verschiedene Kryptowährungen investiert, sollten auch wir als Akteure am Finanzmarkt zumindest die Entwicklung aus der Ferne mitverfolgen.