Die Klimaschutz-Bewegung Fridays for Future leidet stark unter der Coronakrise, da Demonstrationen, eben das was die gesamte Protestkultur ausmacht, nicht stattfinden können. Trotzdem verzeichnen sie Ende April einen Sieg, und zwar durch die vom Verfassungsgericht angeordnete Nachschärfung des Klimaschutzgesetzes.
Nicht nur die Aktivist*innen von Fridays for Future freuen sich über die Entscheidung, auch Wirtschaftsminister Peter Altmaier und Kanzlerkanditat*innen Baerbock und Scholz jubeln mit. Das besagte Klimaschutzgesetz gibt es bereits seit knapp anderthalb Jahren und wurde bereits von vier Verfassungsbeschwerden angefochten. Die Umweltschutzorganisation BUND, der „Förderverein Solarenergie“ und weitere Einzelpersonen reichten die erste Klage ein. Letztes Jahr kamen dann drei weitere dazu, eine „aus Deutschland, Bangladesch und Nepal“ wie t-online berichtet. Auch das deutsche Gesicht der Fridays for Future Bewegung Luisa Neubauer klagt mit, unterstützt von einigen Kindern aus Familien, die mit der Landwirtschaft ihr Geld verdienen. Auch die Deutsche Umwelthilfe, Greenpeace, Protect the Planet und die Entwicklungs- und Umweltorganisation Germanwatch unterstützten die Kläger*innen. Am 29. April verkündete das Gericht in Karlsruhe, dass den Klagen teilweise recht gegeben wird und der Bund das Klimagesetz nachbessern muss. Bis Ende 2022 „müssen die Reduktionsziele für Treibhausgasemissionen für die Zeit nach 2030 näher geregelt werden“, so der Spiegel. Das Gesetz soll sich darum kümmern, dass die Bundesrepublik ihre Klimaziele einhält und erreicht. In dem Paket ist die Einführung einer CO2-Steuer niedergeschrieben und es wird erläutert, dass der CO2-Austoß um 55 Prozent gegenüber den Zahlen aus dem Jahr 1990 gesenkt werden muss.
„WIR HABEN GEWONNEN!!!“ twitterte Luisa Neubauer kurz nach der Urteilsverkündung. Sie freut sich, denn die Entscheidung ist „riesig“. „Klimaschutz ist nicht nice-to-have, Klimaschutz ist unser Grundrecht“, erklärt sie online. Der Pressesprecher, Beschwerdeführer und Schüler Linus Steinmetz ist ebenfalls begeistert über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts: „Das bestätigt uns erstmals darin, was wir seit Jahren wissen“, erklärt er gegenüber dem Spiegel. „Das Klimagesetz der Bundesregierung war schon immer unvereinbar mit wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Realitäten.“ Er geht davon aus, dass „jetzt wohl das Kohleausstiegsgesetz geändert werden“ muss. Linus Steinmetz ist 17 Jahre alt, Luisa Neubauer 25. Die Richter*innen aus Karlsruhe betrachteten den Faktor Alter besonders, denn dadurch, dass die Beschwerdeführenden teilweise so jung sind, konnte argumentiert werden, dass deren zukünftige Freiheitsrechte durch das mangelhafte Klimaschutzgesetz gefährdet wären. Vom Bundesverfassungsgericht heißt es, dass „praktisch jegliche Freiheit potenziell betroffen [ist], weil noch nahezu alle Bereiche menschlichen Lebens mit der Emission von Treibhausgasen verbunden und damit nach 2030 von drastischen Einschränkungen bedroht sind.“ Dazu muss der Gesetzgeber Präzisierungen treffen, die „diese hohen Lasten“ mildern, denn die Problematiken kommen vor allem auf die jüngeren Generationen zu. Remo Klinger, der Rechtsanwalt, der zwei der Verfassungsbeschwerden begleitet hatte, bezeichnet das Urteil als „Novum“ und versichert, dass vorherige Klagen keine „derartige Tiefe und Grundsätzlichkeit“ aufweisen konnten.
Nicht nur die Protestbewegungen freuen sich, sondern auch Teile der Politik. Svenja Schulze, Bundesumweltministerin bekräftigt die Tragweite der Entscheidung: „Für den Klimaschutz ist das erst mal ein Ausrufezeichen.“ Sie ist sich aber auch ihrer Aufgabe bewusst, denn das Gericht fordert mit seiner Entscheidung, dass der „Weg zur Klimaneutralität auch nach 2030 nicht nur in einer Strategie“ beschrieben wird, sondern mit konkreten Bestimmungen untermauert wird. Der CDU-Politiker und deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmaier twittert ebenfalls: „Es ist epochal für Klimaschutz und Rechte der jungen Menschen.“ Doch kurz daraufhin wiesen in Anhänger der Fridays for Future Bewegung drauf hin, dass auch er an dem Gesetzesentwurf mitgearbeitet hatte, und dass auch er Verantwortung für die Überarbeitung trägt.
Auch die Kanzlerkandidat*innen Scholz und Baerbock äußerten sich positiv über die Entscheidung. Baerbock nannte sie „historisch“ und Scholz twitterte an Altmaier, dass das Gesetz ja schnell korrigiert werden könne, da sich nicht die SPD, sondern Altmaiers CDU gegen die Präzisionsvorschläge stellte. Die Politik muss jetzt auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes reagieren und auch beweisen, dass es sich hierbei wirklich um eine folgenschwere Angelegenheit handelt.