Der „Lockdown light“ konnte den Anstieg der Corona-Infektionen nicht aufhalten. Bund und Länder habe sich geeinigt: Nun folgt der harte Lockdown über die Feiertage bis ins neue Jahr hinein.
Mit dem rapiden Anstieg der Infizierten- und Todeszahlen ist ein Herunterfahren des öffentlichen Lebens unumgänglich. Bund und Länder hatten sich zunächst auf die Schließung der Geschäfte geeinigt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die 16 Ministerpräsidenten haben sich dann wie bekannt ist, aber auch auf die Schließung der Schulen und weitere Kontaktbeschränkungen geeinigt. Ursprünglich war der 27. Dezember 2020 als Start des „harten“ Lockdowns vorgesehen, doch Bund und Länder zogen die Maßnahmen vor. „Wir müssen auf jeden Fall noch vor der Wochenmitte die nötigen Maßnahmen ergreifen“, teilte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder der „Bild am Sonntag“ laut eines Vorab-Berichts mit. Mehrere Landesregierungen haben bereits weitgehende Maßnahmen beschlossen, die zum Teil schon am 12. Dezember in Kraft traten.
Ab dem 16. Dezember wurde der Einzelhandel geschlossen. Ausnahmen gelten nur für Lebensmittelmärkte, Abhol- und Lieferdienste auch der Gastronomie, Apotheken, Drogerien, Optiker, Tankstellen, Autowerkstätten, Banken, Post, Reinigungen und Weihnachtsbaumhändlern. Sämtliche Dienstleistungsbetriebe wie Friseursalons, Kosmetikstudios, Massagepraxen, Tattoo-Studios und ähnliche Betriebe bleiben geschlossen. Universitäten waren bereits geschlossen, doch auch die Schulen wurden wieder in das „Home Schooling“ überführt, eine Präsenzpflicht gibt es nicht mehr, wobei aber eine Notfallbetreuung in Hort und Kita möglich sind und Eltern bezahlten Urlaub nehmen können.
Privaten Treffen werden auf maximal 5 Personen aus zwei verschiedenen Haushalten begrenzt, wobei Kinder bis 14 Jahren nicht mitgezählt werden. Für die Weihnachtstage vom 24. Bis 26. Dezember sollten Zusammenkünfte mit vier über den eigenen Hausstand hinausgehenden Menschen möglich sein. Allerdings gilt es zu beachten, dass diese Personen nur den engsten Familienkreis betreffen. Dazu zählen: Ehegatten, Lebenspartner und Partner einer nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft sowie Verwandtschaft in gerader Linie, Geschwister, Geschwisterkinder und deren jeweilige Haushaltsangehörige.
Generell forderte die Bundesregierung dazu auf, die Kontakte auf ein Minimum zu reduzieren. In allen Hotspots ab einer Inzidenz von 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohnern innerhalb einer Woche – aktuell umfasst dies den Großteil Deutschlands- sollen zusätzliche Einschränkungen gelten. Spätestens ab einem Inzidenzwert von 200 sollen zusätzlich Ausgangsbeschränkungen geprüft werden.
Auch Mediziner warnen vor der dramatischen Lage in Kliniken um die Tage bis Neujahr. Vor allem die sogenannte Triage – der Abwägung, welcher Patient noch ausreichend intensivmedizinisch behandelt werden kann – bereitet Sorgen. Mit dem dramatischen Anstieg der Infiziertenzahlen und teils schweren Krankheitsverläufen, ist eine ausreichende intensivmedizinische Versorgung eventuell nicht mehr möglich. „Aktuell ringen wir mit dem Kontrollverlust“, erklärte einer der Ärzte, Doktor Celik, in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeine Zeitung du fügte hinzu: „Wir haben täglich mehr Patienten, müssen den Covid-Bereich immer weiter vergrößern und zusätzlich Platz für Patienten mit Covid-19-Verdacht schaffen. Der organisatorische Aufwand ist sehr groß. Zudem fällt Personal aus, weil es mit Covid-Patienten Kontakt hatte und Erkältungssymptome auftreten. Der Kontrollverlust droht, wenn uns die Ressourcen ausgehen.“
Für die Bundesregierung ist ein Lockdown unumgänglich, um das Coronavirus eindämmen zu können. Doch FDP-Vorsitzender Christian Lindner und mehrere Wissenschaftler kritisieren die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung. Lindner teilte der FAS mit, er gehe davon aus, dass es nun zu einem Lockdown komme der „nicht mehr als eine Notbremse ist“. Es fehle „eine Krisenstrategie, die länger als ein paar Tage hält. Der soziale und wirtschaftliche Schaden eines längeren Stillstands ist so hoch, dass er nicht dauerhaft durchgehalten werden kann.“
Auch der Virologe und Epidemiologe Klaus Stöhr, ehemaliger Leiter des Influenza-Programms der Weltgesundheitsorganisation (WHO), kritisierte eine fehlende Langzeitstrategie der Bundesregierung. „Man fährt auf Sicht. Die Bekämpfungskriterien sind nicht eindeutig festgelegt worden. Wie viele Fälle sind akzeptabel? Wie ist die Zielstellung zum Beispiel bei Intensivbetten, wie stark sollen die belegt sein?“ Zudem fragt er nach einem Mittelweg „im Dreieck zwischen Wirtschaft, Gesundheit und Freiheit, und bei dem keiner dieser Bereiche vollständig auf der Strecke bleibt?