Das neue Freihandelsabkommen RCEP zwischen 15 asiatisch-pazifischen Staaten hat die weltgrößte Freihandelszone geschaffen. Trumps Entkopplung von China ist damit nach hinten losgegangen – der Schwerpunkt der Weltwirtschaft liegt nun im Osten.
Am 15. November 2020 unterzeichneten die Regierungschefs von 15 asiatisch-pazifischen Ländern die „Regional Comprehensive Economic Partnership“, kurz RCEP. Dazu gehörten neben China und Japan auch Südkorea, Australien, Neuseeland und die ASEAN-Staaten. Erstmals verbündeten sich westliche Alliierte wie Japan und Südkorea mit China. Indien ist jedoch nicht Teil des Abkommens. Der indische Regierungschef, Narendra Modi, beklagte, dass es in dem Abkommen zu wenig Fortschritte beim Abbau von nicht tarifären Handelshemmnissen in China gebe, die dort indischen Unternehmen das Leben schwer machen.
Dennoch ist „das RCEP ein Weckruf an uns, dass die Freihandelsidee lebt und neue Chancen entstehen. Zugleich wird damit das Scheitern von US-Präsident Donald Trump deutlich“, sagte Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln (IW). Das Abkommen umfasst 30 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung, 30 Prozent der Weltbevölkerung und 28 Prozent des Welthandels. Mit der RCEP wurde das weltweit größte Handelsabkommen geschlossen und der Schwerpunkt der Weltwirtschaft nach Osten verlegt. Durch das Handelsabkommen sollen über die kommenden 20 Jahre Zölle und Handelshemmnisse abgebaut werden. Laut Singapurs Handelsminister sollen die Zölle von mindestens 92 Prozent der im RCEP-Raum gehandelten Güter eliminiert werden. Hinzu kommt, dass 65 Prozent des Dienstleistungssektors vollständig geöffnet werden sollen. Das Freihandelsabkommen enthält auch Bestimmungen, die Investitionen in Unternehmen erleichtern. Allerdings bleiben „wichtige Bereiche wie der Klima- und Arbeitsschutz sowie die geistigen Eigentumsrechte weitgehend offen“, sagt Holger Bingmann, der Präsident der Internationalen Handelskammer ICC.
Dennoch sind die Aussichten vielversprechend. „Wir rechnen mit positiven Auswirkungen auf unsere Geschäfte und unsere Wettbewerbsfähigkeit“, teilte Hartmut Schick, der CEO von Daimlers japanischer Tochter Mitsubishi Fuso Truck and Bus Corporation, mit. Grenzüberschreitende Geschäfte seien nun einfacher. Schick hofft zudem, dass sich die Belebung von Handel und Verkehr in den RCEP-Staaten positiv auf den Absatz des Fahrzeugherstellers auswirken wird.
Doch es geht nicht nur um die Statistik, auch die Geopolitik spielt eine wichtige Rolle. China ist der neue Fokus der Weltwirtschaft – die USA und Europa bleiben außen vor. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht von erhöhtem Wettbewerbsdruck infolge des neuen Abkommens. Die EU muss aktiv werden, fordern auch die Wirtschaftsverbände. „Europa hat mit wichtigen RCEP-Partnern bereits bilaterale Handelsabkommen, so zum Beispiel mit Japan, Korea, Singapur oder Vietnam. Mit den anderen ASEAN-Ländern wird aktuell verhandelt, ebenso mit Australien und Neuseeland. Der Druck, hier zu Abschlüssen zu kommen, steigt“, erklärte Gabriel Felbermayr, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel (IfW). Ansonsten könnte Europa von den wichtigen Märkten verdrängt werden.
Laut Bingmann zeige „der Abschluss des RCEP-Abkommens …, dass Europa bei ähnlichen Handelsinitiativen wie Mercosur oder Ceta zu langsam agiert.“ Ähnlich reagierte der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Wolfgang Niedermark, Mitglied der Hauptgeschäftsführung beim BDI kritisierte: „Die EU muss sich die Frage gefallen lassen, wie es um unsere Attraktivität als Partner in Asien und anderen Weltregionen bestellt ist, wenn der Ratifizierungsprozess in der EU selbst für moderne und ambitionierte Abkommen mit großen Ungewissheiten verbunden ist.“
Mit China und Japan auf Platz zwei und drei der Volkswirtschaft umfasst die Freihandelszone eine Wirtschaftskraft von knapp 26 Billionen Dollar. Allerdings warnte Felbmayr: „Der Vertrag trägt zu einer stärkeren Blockbildung bei, die das Prinzip des Multilateralismus massiv beschädigen könnte.“
Weltweit wird das Freihandelsabkommen aus Sicht der Beteiligten im Jahr 2030 zu Einkommenzuwächsen in Höhe von 186 Milliarden Dollar führen. Allerdings fallen dabei 174 Milliarden Dollar den RCEP-Staaten zu. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sieht das dennoch gelassen. Er verwies auf die eigenen Handelsabkommen und die laufenden Handelsgespräche etwa mit Australien und Neuseeland. Außerdem habe „die EU mit Japan, Südkorea, Singapur und Vietnam bereits eigene Freihandelsabkommen beschlossen und arbeitet intensiv am Abschluss eines Investitionsabkommen mit China“, so Altmaier. Europa ist also gut aufgestellt, lautet seine Botschaft.