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Wie beeinflusst das Silicon Valley die US-Wahl?

Seit fast vier Jahren versprechen Social-Media-Unternehmen wie Facebook und Twitter, dass sie diesmal nicht die Fehler der letzten Präsidentschaftswahlen wiederholen werden. Damals verbreiteten sich rasant Fake News und Desinformationen über die sozialen Plattformen und säten Unfrieden unter der US-Wählerschaft.

Wie sieht es bei dieser US-Präsidentschaftswahl aus? Trumps Anwalt Giuliani war in die Ukraine gereist, um nach belastendem Material gegen Biden zu suchen. Dabei hat er wiederholt einen Politiker getroffen, welcher als Agent für Russland eingestuft wird. Es sind nur noch zwei Wochen bis zur Wahl und Trumps Wahlkampfteam versucht verzweifelt Bidens Vorsprung durch solche zweifelhaften Manöver zu verkleinern.  Die „New York Post“, eine konservative Boulevardzeitung, veröffentlichte einen Artikel, welcher Joe Bidens Sohn Hunter als korrupt darstellen sollte. So gab die Zeitung vor, Zugriff auf einen Laptop von Hunter zu haben. Dort seien Daten gefunden worden, dass Hunter Biden 2015 in der Ukraine die Position seines Vaters ausnutzte und korrupt war. Joe Biden war zu dem damaligen Zeitpunkt nämlich US-Vizepräsident für die Ukrainepolitik der USA.

Giuliani sucht seit Monaten im Ausland nach Schmutz über Bidens Sohn. Anscheinend ist er kurz vor der Wahl fündig geworden. Auf der Festplatte eines Laptops, der angeblich von Sohn Hunter Biden stammt, und auf wundersame Weise in die Hände von Rudy Giuliani fiel, fand er „belastendes Material“. Der Artikel zitiert das Bild einer E-Mail aus dem Jahr 2015 und legt nahe, dass Hunter Biden dabei geholfen hat, ein Treffen zwischen seinem Vater und einer Führungskraft des ukrainischen Gasunternehmens zu arrangieren, in dessen Vorstand Hunter Biden tätig war.

Bidens Kampagne hat die zentralen Behauptungen in dem Artikel dementiert, darunter auch, dass ein solches Treffen jemals stattgefunden habe. Die New York Times, die Washington Post und das Wall Street Journal waren nicht in der Lage, die Informationen in dem Artikel unabhängig zu überprüfen, und die Herkunft des Artikels war so fragwürdig, dass mindestens zwei Reporter der New York Post sich weigerten, ihre Namen darunter zu setzen.

Der Zeitpunkt und die mysteriöse Herkunft der Geschichte – amerikanische Geheimdienstbeamte warnten das Weiße Haus im vergangenen Jahr, dass Giuliani, der persönliche Anwalt von Trump, von russischen Agenten als Vermittler von Desinformationen benutzt wurde – ist schleierhaft. Nachdem Giuliani angeblich genug Material gegen Biden gesammelt hatte, wurde in der vergangenen Woche der besagte Schmäh-Artikel mit fragwürdigen Quellen veröffentlicht, der angeblich belastende Behauptungen über Joe Biden und seinen Sohn Hunter aufstellte. Diesmal handelten Facebook und Twitter schnell, um die Verbreitung des Artikels zu verhindern. Sie blockierten sofort die Links zu dem „New York Post“-Artikel um dessen Weiterverbreitung zu verhindern. „Dies ist Teil unserer Standardprozedur gegen die Verbreitung von Falschinformation“, sagte Facebook.

Aber ebenso schnell war die Gegenreaktion des Präsidenten, der Kongressabgeordneten und der Journalisten: Innerhalb von 36 Stunden drohten republikanische Senatoren mit Vorladungen. Twitter-Chef Dorsey äußerte später aber Bedauern über eine schlechte „Kommunikation“ zum Vorgehen seiner Plattform. Es sei außerdem „inakzeptabel“, Internetlinks „ohne jeden Kontext“ zur Begründung zu blockieren.

Das Vorgehen der Technologieunternehmen zog sofort den Vorwurf der Zensur nach sich: „So sieht der Totalitarismus in unserem Jahrhundert aus“, schrieb Sohrab Ahmari, der Herausgeber der New York Post. „Nicht Männer in dunklen Zellen, die Dissidenten Schrauben unter die Fingernägel treiben, sondern Schwachköpfe aus dem Silicon Valley, die aus weiten Teilen des Internets ein unvorteilhaftes Exposé (Artikel über Biden) über ihren bevorzugten Präsidentschaftskandidaten entfernen.“

Zur Erinnerung: Schon im Juni 2019 wollte Trump den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj dazu bringen, Korruptionsermittlungen gegen die Bidens aufzunehmen. Daraufhin wurde ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump auf den Weg gebracht. Der von Republikanern dominierte Senat sprach den Präsidenten jedoch frei.

Was sagt uns diese Episode im Vorfeld der Wahl über den Stand der Reformbemühungen der Social-Media-Unternehmen, und auf welche Weise gelingt es ihnen immer noch nicht, den demokratischen Prozess zu sichern?

In den Stunden nach der Veröffentlichung des Artikels in der New York Post reduzierte Facebook die Sichtbarkeit des Artikels, bis er von unabhängigen Faktenprüfern überprüft werden konnte. Twitter ging aggressiver vor, blockierte alle Links zu dem Artikel und sperrte die Konten derer, die ihn gepostet hatten, darunter einige Journalisten und der Pressesekretär des Weißen Hauses.

Aber selbst Menschen, die der Geschichte zutiefst skeptisch gegenüberstehen, empfinden die Blockierung der Beiträge auf den Social-Media-Plattformen als beunruhigend. Twitter begründete seine ursprüngliche Entscheidung, den Artikel zu blockieren, mit einer Firmenpolitik, die die Verbreitung von „Inhalten ohne Genehmigung“ verbietet.

Doch sind Social-Media-Unternehmen dazu verpflichtet, neutrale Lieferanten politischer Informationen zu sein? Facebook und Twitter könnten morgen beschließen, jegliche Kritik an Biden oder Trump zu verbieten, wenn sie wollten. Und Tatsache ist, dass Social-Media-Plattformen nicht alle Inhalte gleichbehandeln: Sie kontrollieren seit Jahren, was die Nutzer sehen.

Renee DiResta, der technische Forschungsleiter des Stanford Internet Observatory meint, dass die Beseitigung von Desinformationen und die verlangsamte Verbreitung von fragwürdigen Artikeln eine angemessene und positive Entwicklung sei.

Aber markiert dieses spezielle Durchgreifen tatsächlich eine Verschiebung hin zu mehr redaktioneller Verantwortung? Wochen vor der Blockierung des New York Post-Artikels hatten Facebook und sein Gründer Mark Zuckerberg eine Reihe von Änderungen auf ihrer Plattform vorgenommen:  politische Werbung wurde ausgesetzt und Inhalte, die den Holocaust leugnen, sowie Anzeigen von Impfgegnern und QAnon-Verschwörungen verboten.

In der ersten Oktoberwoche veröffentlichten die Abgeordneten des US-Repräsentantenhauses einen Bericht, welcher 16 Monate lang die größten Technologieunternehmen der Welt untersucht hatten: „Um es einfach auszudrücken: Unternehmen, die einst kleine Start-ups waren, die den Status quo in Frage stellten, sind zu Monopolen geworden, die wir zuletzt in der Ära der Ölbarone und Eisenbahnmagnaten gesehen haben“, heißt es in dem Bericht. „Diese Firmen üben ihre Dominanz auf eine Art und Weise aus, die das Unternehmertum untergräbt, die Privatsphäre der Amerikaner im Internet mindert und die Lebendigkeit der freien und vielfältigen Presse untergräbt“, heißt es in dem Bericht. Das Ergebnis ist weniger Innovation, weniger Wahlmöglichkeiten für die Verbraucher und eine geschwächte Demokratie“.

Der antidemokratische Einfluss von Technologiemonopolen ist vielleicht am offensichtlichsten im Fall von Facebook. Ein Informant behauptete, dass einzelne Mitarbeiter der mittleren Ebene die politische Realität für Millionen von Menschen auf der ganzen Welt mit wenig Aufsicht und ohne öffentliche Rechenschaftspflicht abändern können. „Letztlich sind die von Facebook und Twitter ergriffenen Maßnahmen ein Feigenblatt“, schreibt Alex Shephard in The New Republic. „Das zugrunde liegende Problem ist heute dasselbe wie 2016: Diese Unternehmen haben viel zu viel Macht über die Art und Weise, wie Informationen verteilt werden.“

 

*Ein Bericht von Maria Krausch

 

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