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Zu viele Vorschriften für Unternehmen oder Fortschritt für die Gesellschaft?

Arbeitsminister Hubertus Heil will den Arbeitsalltag für Millionen Deutsche durch Heimarbeit verbessern und einen Rechtsanspruch dafür durchsetzen. Doch Unternehmer kritisieren den Vorstoß.

Dank der Corona-Pandemie fand der Kulturwandel jetzt schnell statt – wo einige Unternehmer vor ein paar Jahren für ihren flexiblen Umgang mit Heimarbeit gefeiert wurden, ist es mit der Virusgefahr schlagartig in fast allen Branchen möglich geworden, den Arbeitnehmern digitales Arbeiten zu gestatten. Corona hat dies erzwungen. Feierabend auf dem Balkon als in der übervollen U-Bahn, auch die Kinder haben viel davon, wenn ihre Eltern nicht im Stau stehen, sondern schon zu Hause mit ihnen sind.

Der Rechtsanspruch, welchen SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil vorgestellt hat, sieht einen Rechtsanspruch auf mindestens 24 Tage Home Office pro Jahr vor. Heil sprach bei der über Nacht eingeführten Heimarbeit von einem „ungeplanten Großversuch in Corona-Zeiten“. Die CDU kritisiert den Vorschlag und entgegnet, dass Heils Vorschlag zu viele neue Vorschriften mache. Zudem wird diskutiert, dass die Arbeitgeber ohnehin wegen Corona dazu übergehen, Home Office zu akzeptieren und flexibel auf solche Arbeitnehmeranfragen zu reagieren und es wohl auch nach Ende der Pandemie weiter tun werden.

Was ändert das Gesetz nun? Das „Mobile-Arbeit-Gesetz“ beinhaltet, dass nur beim Vorliegen von betrieblichen oder organisatorischen Gründen ein Arbeitgeber das Recht hat, Heimarbeit abzulehnen. In der Arbeitsrealität der Menschen bedeutet dies mehr Zeit für Partner und Kinder, weniger Stress beim Weg zur Arbeit, weniger verstopfte Straßen und öffentliche Verkehrsmittel. Während des Corona-Lockdowns waren die Straßen leer, viele Menschen mussten von zu Hause aus arbeiten. Der positive Nebeneffekt: die Luft wurde besser – da es kaum noch Autos auf den Straßen gab.

Die Vorteile von Home Office sind erwiesen und werden auch von den Arbeitnehmern als sehr positiv aufgenommen. So hat sich ihre Ernährung verbessert und auch ihre Bewegungsgewohnheiten. 40 Prozent der Deutschen könnten zumindest zeitweise von zu Hause aus arbeiten. Das Gesetz will nun erreichen, dass auch in den Fällen, in denen der Arbeitgeber aus nicht nachvollziehbaren Gründen die Heimarbeit ablehnt, die Arbeitnehmer ein Instrument zur Hand haben, um diese einzufordern. So sind die 24 Tage Home Office eine Richtzahl, zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer können auch mehr Tage vereinbart werden. „Dafür möchte ich den Beschäftigten rechtlich den Rücken stärken“, erklärte Heil. Doch die Kritik lässt nicht auf sich warten: dem Koalitionspartner CDU, der Lobby der Arbeitnehmervertreter und den Grünen ists Heils Vorstoß nicht der richtige.

Wo vor der Pandemie seitens der Arbeitgeber noch eine große Skepsis verbreitet war, was die Flexibilität und Selbstbestimmung in der Heimarbeit angeht, haben sich Millionen Arbeitnehmer mittlerweile Vertrauen erarbeitet. Dies ist trotz des Spagats aus geschlossenen Schulen und Kindergärten geschehen und zeigt, wie hoch die Akzeptanz seitens der Arbeitnehmer für diese neue Arbeitsform ist. Wo früher noch von fehlender Trennung zwischen Arbeits- und Privatleben die Rede war, ist es in dieser Zeit gar kein Thema mehr und die positiven Aspekte des mobilen Arbeitens rücken in den Vordergrund.

Arbeitgeber bekunden, dass es keinen Gesetzesentwurf braucht, welcher solche Regelungen vorschreibt. Doch die Vergangenheit lehrt, dass es eben doch manchmal ein Gesetz braucht, wo privatrechtliche Regelungen nicht umgesetzt werden. So stagnierte zum Beispiel trotz der sogenannten „freiwilligen Selbstverpflichtung“ der Arbeitgeber die Zahl der Frauen in Führungsetagen über Jahrzehnte. Erst mit der Einführung des Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen (FüPoG) tat sich hier etwas und der Frauenanteil stieg endlich.

Bei dem Gesetzentwurf von Heil ist mit dem „Mobile-Arbeiten-Gesetz“ tatsächlich nicht nur die Wohnung des Arbeitnehmers gemeint, sondern auch unterwegs. Somit müssten auch versicherungsrechtliche Fragen zu dieser neuen Form des Arbeitens neu geregelt werden. So war bisher der Arbeitnehmer auf dem Weg zur Arbeit durch die Unfallversicherung geschützt. Fällt der Arbeitsweg jedoch weg, ist der Arbeitnehmer nicht automatisch auf dem Weg zur Kita gesetzlich versichert und damit geschützt – hier gibt es eine Lücke, die das neue Gesetz regeln soll. Zudem steht auch die Frage im Raum, wer die Betriebsmittel wie Laptop oder Diensthandy stellt oder ob der Arbeitnehmer diese Geräte im Home Office selbst zur Verfügung stellen muss.

Wichtig ist vor allem: Es soll durch diese Form des mobilen Arbeitens keine Ausbeutung des Arbeitnehmers geschehen, wenn die Arbeitszeiten nicht eingehalten werden und dadurch das Privatleben leiden muss. Arbeitszeitgesetze sollen auch in der Heimarbeit gelten, um die Gesundheit der Arbeitnehmer nicht zu gefährden. Eine Studie der Krankenversicherung DAK-Gesundheit unterstützt die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit, dass die meisten Menschen ihre Heimarbeit als positiv auf ihre Lebensführung wahrnehmen und ihre Arbeitszufriedenheit gesteigert hat. So hat die Heimarbeit nicht nur die Lebenswirklichkeit der Menschen auf sehr nachhaltige Weise beeinflusst, auch die Chefs sind überrascht, wie gut die Zusammenarbeit auch am Telearbeitsplatz klappt. So wissen sie, dass ihre Mitarbeiter motiviert arbeiten, auch wenn sie nicht permanent kontrolliert werden – der Output stimmt.

Fazit: Der Wandel ist schon längst geschehen und Einwände wie vom arbeitsmarktpolitischen Sprecher der CSU im Bundestag, Stephan Stracke, der von einem „tiefen Eingriff in die Arbeitsabläufe der Unternehmen“ spricht, sind übertrieben. Die neue Arbeitswelt ist schon längst präsent, es müssen nur noch letzte rechtliche Lücken geschlossen werden wie z.B. bei dem Versicherungsschutz.

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