Seit der erste Entwurf der bAV-Reform von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles im Januar 2015 auftauchte, trieb es Marktteilnehmer um, das Schlimmste zu verhindern. Trotz mehrfacher Nachbesserungen ist die jüngste Lösung allenfalls der kleinste gemeinsame Nenner. Der große Wurf blieb aus. Am 1. Juni wurde das Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) beschlossen, mit einer Zielrente statt garantierter Leistungen. Auch an der Tarifexklusivität des neuen Angebots scheiden sich die Geister.
Problematisch: 69 Prozent der Unternehmen sind nicht tarifgebunden, im Osten der Republik sogar 79 Prozent. In den Kleinbetrieben gibt es viele Geringverdiener, und gerade die wollte man ja mit der bAV-Reform ins Boot holen. O-Ton aus dem Koalitionsvertrag von SPD und CDU/CSU 2013: Die bAV „muss auch für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Klein- und Mittelbetrieben selbstverständlich werden. Daher wollen wir die Voraussetzungen schaffen, damit Betriebsrenten auch in kleinen Unternehmen hohe Verbreitung finden. “ Gute Idee, zumal der Anteil der bAV an den gesamten Rentenbezügen in Deutschland gerade mal bei 4 Prozent liegt. Einfacher wird es mit dem BRSG keineswegs. Der sechste Durchführungsweg wird die Zahl der bAV-Kombinationsmöglichkeiten um über 100 auf dann mehr als 600 erhöhen. Wie das ohne kompetente Beratung gehen soll, bleibt das Geheimnis der Koalitionäre. Mit dem Gesetzesbeschluss stellt sich nun eine entscheidende Frage: WER DARF KÜNFTIG BERATEN UND ZU WELCHEM PREIS?
Was die traditionellen Wege der bAV betrifft, ist die Sache klar: Alles bleibt, wie es bisher in den fünf Durchführungswegen war. Und Beratung wird schon jetzt alles andere als üppig bezahlt. „Professionelle Berater vermitteln schon seit jeher Gruppenverträge mit halbierten Kostensätzen, die sich unterhalb des Wertes von 2,5 Prozent der einzuzahlenden Beiträge bewegen, die heute das Lebensversicherungsreformgesetz als Kostenobergrenze erlaubt“, sagt Andreas Bürse-Hanning, Vorstandsvorsitzender der Aures Finanz AG & Cie. KG. Bei der bAV-Beratung gehe es vor allem um zwei große Komplexe: die Vertragseinrichtung — von der Bedarfserhebung und Ausschreibung über den Vergleich möglicher Angebote bis zur Einrichtung des Gruppenvertrages und der Beratung sowie Anmeldung der Arbeitnehmer im Versorgungswerk — und dann die laufende Vertragsbetreuung. Letztere umfasst die Beratung von Bezugsrechtsfragen, Dynamikanpassungen und Beitragsveränderungen ebenso wie Portabilität und Leistungsabwicklung. „Dieser hohe laufende Beratungsaufwand wird meist unterschätzt“, so der Finanzmakler.
Einen gangbaren Weg in der alten bAV-Welt sehen versierte Makler in Servicevereinbarungen mit den Firmenchefs. „Eine solche Vereinbarung benennt die verschiedenen Aufgaben in der Prüf-, Konzeptions-, Einrichtungs- und Betreuungsphase. Wir legen dann Punkt für Punkt gemeinsam mit dem Arbeitgeber fest, wer welche Aufgaben wahrnimmt“, beschreibt Joachim Becker, Geschäftsführer der Genius Versicherungsmakler GmbH, sein Erfolgsrezept. Die Servicevereinbarung kostet die Firma keine gesonderte Vergütung, sofern sie das Maklermandat erteilt und Genius den Kollektiv rahmenvertrag einrichten darf.
Gute Einzelberatung und geringe Kosten passen nicht zusammen. Wenn der Arbeitgeber die Beratung und Nachbetreuung bezahlt, wird er in dem Maße geringere eigene Zuschüsse für Arbeitnehmer bieten. Und wenn der Arbeitnehmer die Beratung indirekt über die Courtage bezahlt, wird das Geld aus dem Deckungskapital genommen. „Der Schlüssel zum Erfolg wäre ein Produkt, das in ganz geringem Maße Beratung erfordert“, so Dr. Udo Niermann vom bAV Berater Mercer Deutschland. Und damit sind wir bei den erwarteten Neuerungen im BRSG. Denn mit der Reform obliegt es den Tarifpartnern zu bestimmen, wie, ob und in welchem Umfang beraten werden soll. Für die Praxis stellt sich die Frage, welche Rolle der Makler beim neuen, sechsten Durchführungsweg spielen kann.
Dass Berater und Beratungskosten beim Sozialpartnermodell stiefmütterlich behandelt werden, verwundert. Die Riester-Rente startete bekanntlich erst nach Erhöhung der Vertriebsvergütungen richtig durch. Und auch das tarifliche Versorgungswerk MetallRente kam erst in Schwung, als die Vertriebsvergütungen angehoben wurden. Beratung ist eben nicht zum Nulltarif zu haben. „Und die Tarifpartner dürfen per Gesetz nicht selbst beraten“, warnt Ulrich Scheele, Generalbevollmächtigter für Vertriebsentwicklung und freie Vertriebe der Signal Iduna Gruppe, die als Partner vieler tariflicher bAV-Lösungen in Handel, Handwerk und Gewerbe aktiv ist. Die Tarifpartner müssten sich gesetzlich zugelassener Berater bedienen, insbesondere Versicherungsmak-Betriebsrenten (reine Beitragszusage) beteiligen“. Aus dem strukturell-kollektiven Charakter können „erhebliche Kosten- und Effizienzvorteile resultieren“, hofft der Gesetzgeber. „In der Tat soll die Tarifpartnerrente ohne Beratung auskommen. Ich halte das für einen Irrglauben. Vorsorgeprodukte haben sich noch nie von selbst verkauft“, warnt Fabian von Löbbecke, Vorstandsvor sitzender der Talanx Pensionsmanagement und verantwortlich für bAV bei HDI. Er fürchtet, dass die meisten Arbeitnehmer ohne Beratung nur den Mindestbetrag, den ‚die Tarifparteien ausgehandelt haben, sparen werden und damit ihre Versorgungslücke nicht schließen. Die Rolle der Tarifpartner ist fraglich. Sie müssen sich an der Steuerung der reinen Beitragszusage beteiligen, haben aber keinerlei Kompetenz und Kapazitäten zur Beratung. Rechtsanwalt Dr. Marco Arteaga von der Kanzlei DLA Piper, der das Gutachten „Sozialpartnermodell Betriebsrente“ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales maßgeblich mit erstellt hatte, sieht gute Chancen für qualifizierte Berater. „Es gibt eine deutliche Vertriebserleichterung, weil die Reform generell kollektive, branChen- oder betriebseinheitliche Lösungen anstrebt“, sagt der Arbeitsrechtler. Damit seien niedrigere Abschlusskosten pro Vertrag verkraftbar. „Möglicherweise gibt es weniger Promille, aber eine viel höhere Beitragssumme“, so Arteaga, der die Probleme als früherer bAV-Vorstand der Zurich Gruppe aus erster Hand kennt. „Ohne die Vertriebe wird es bei den Kleinunternehmen kaum funktionieren.
Nur durch entsprechende Beratung könnte die bAV verbreitet werden, ist sich auch Marcus Stephan, Prokurist und Leiter Versicherung des Maklerpools BCA, sicher. Daher stört ihn, dass „die Beratungsleistung vom BMAS nicht eingepreist worden ist“.
Die Organisation der bAV über tarifliche Versorgungswerke lässt Kostenvorteile zu. Auch Opting-out-Modelle auf Basis von Betriebsvereinbarungen könnten die Vertriebskosten senken. Das Prinzip: Der Arbeitgeber macht ein Angebot und der Arbeitnehmer nimmt es ohne Beratung an oder lehnt ab. Will er einen Rat, ist das sein Kostenproblem. „Ob damit aber die bAV gerade in kleinen Firmen stärker verbreitet wird als bisher, bezweifle ich entschieden“, sagt Makler Bürse-Hanning.