Als der kleine Bub im Dezember 1770 in Bonn getauft wurde – ein konkretes Geburtsdatum gibt es nicht – ahnte wohl noch niemand, welches Genie im Rheinland auf die Welt gekommen war und wie dieser Musik-Gigant die klassische Musik bis heute beeinflussen würde. Als im Alter von 28 Jahren seine Taubheit voranschritt, begann er Musik als Gefühl zu interpretieren und wiederzugeben, besonders beeindruckend zu erfahren in der berühmten 5. Symphonie. Der Meister unter den Komponisten, der „primus inter pares“, der seine Geburtsstadt Bonn mit 22 Jahren verließ, um nach Wien zu gehen, konnte sich zum heimlichen Musikgiganten entwickeln, man sagt, noch vor Bach, Mozart oder Händel oder seinem Mentor Joseph Haydn. „Niemand ist seinen Zeitgenossen je wieder so weit voraus gewesen wie der späte Beethoven“, sagte kein Geringerer als der Meisterpianist und Interpret seines genialen musikalischen Vermächtnisses, Anatol Ugorski. Er ist einer der Wenigen, der Beethovens mythische Sonate Nummer32, Opus 111, die als Testament des Komponisten gilt, so besonders ausdrucksstark spielen konnte. Das Werk unterscheidet sich mit seinen 2 statt drei oder vier Sätzen von allen anderen klassischen Sonaten des Meisters. Von Thomas Mann als versöhnlichen Abschied von der Welt interpretiert, fasst dieses Werk noch einmal Gefühl und Leiden aus dem Leben des rheinischen Genies zusammen und beleuchtet in seiner Musik schmerzhafte Gegenwart und jenseitige Gefilde. Ein Opus von nie da gewesener Brillanz und Ausdrucksstärke. Für viele grenzt dieses Werk an ein musikalisches Wunder. Dieses Musikstück entfaltet sich in präziser Entrücktheit, wie sie niemals zuvor von Menschenhand geschaffen worden ist, behaupten die staunenden Kritiker und Interpreten. Ja, Beethoven war der Besondere, der Mann, der seine Klangkompositionen zu unsterblichen Melodien vergeistigte.
Um die Jahrhundertwende war Beethoven auf dem Höhepunkt seines Ruhmes angelangt, er war Mittelpunkt auf allen Bällen und Einladungen, er verkehrte in höchsten adeligen Kreisen und legte Werke ab, die Zeugnis gaben von tiefsten Empfindungen, mit komplexer, reicher und dichter Musik. Wien, wo er nun fast in Unruhe lebte – etwa 70 Mal zog er in den Jahren seines Schaffens dort um – verehrte ihn und man huldigte dem Meister und Schöpfer des Genialen. Er konnte sich selbst vermarkten und aus seiner Berühmtheit und seinem Ansehen Kapital schlagen. Andere seiner Zunft war das zu Lebzeit nicht vergönnt, bei Ludwig van Beethoven standen die Förderer Schlange, um ihn zu protegieren. Als Künstler gefestigt, als Mensch ruhelos, hatte er nie das Glück, die Frau seines Lebens zu finden, denn sein Äußeres entsprach so gar nicht dem Schönheitsideal – damals wie heute. Sein Gesicht pockennarbig, untersetzte Figur, und sein wilder roter Haarschopf war wild und ungekämmt. Hygiene war auch nicht unbedingt sein Aushängeschild, so dass die feinen Damen ihn nur als Künstler aber nicht als Mensch verehrten. Eine junge Pianistin fasste seinerzeit sein Erscheinungsbild treffend zusammen: „Er war klein und unscheinbar, mit einem hässlichen roten Gesicht voller Pockennarben. Sein Anzug war sehr gewöhnlich und er sprach stark im Dialekt und in einer gewöhnlichen Ausdrucksweise, wie überhaupt sein Wesen nichts von äußerer Bildung verriet, vielmehr unmanierlich in seinem ganzen Gebaren und Benehmen war.“ Dabei schwärmte Beethoven oft von den hübschen Klavierschülerinnen von höherem Stand, die allesamt unerreichbar waren, obwohl er sich ständig in eine verliebte und seine Genialität durchaus Eindruck machte. Aber eben nicht mehr. Auch diese menschliche Tragik konnte er wunderbar nachfühlbar in seinen Kompositionen verewigen.
Auf der anderen Seite war Beethoven listig und von losem Mundwerk. Es heißt, er spielte Geschäftspartner gegeneinander aus und ließ sich hin und wieder von verschiedenen bekannten Musikverlegern die Exklusivrechte seiner Werke mehrmals abkaufen. Er führte Vertragsverhandlungen selbst und konnte Wut und Empörung wunderbar ausspielen, was ihm manchen Vorteil brachte. Mit seinem Selbstbewusstsein konnte er selbst Fürsten und Adlige brüskieren, so dass er, wie es heißt, eines Tages einem Gönner zu verstehen gab: „Fürst, was Sie sind, sind Sie durch Zufall und Geburt, was ich bin, bin ich durch mich; Fürsten hat es, und wird es noch tausendfach geben; Beethoven gibt’s nur einen.“ Trotz solcher Äußerungen blieben ihm die Mäzene treu, denn Beethoven imponierte durch sein Genie und seine gigantische Schöpfungskraft. Da verzieh man ihm einiges. Die Kompositionen seiner späten Jahre waren geprägt von hochgeistiger Genialität, ganz anders als die Musik des jungen, wilden Compositeurs. Beinahe zögerlich tastet er sich vor, seine frühere Kraft der Überwindung mit dem Versuch, sein Schicksal in die Knie zu zwingen, wechselt er aus gegen harmonische, sentimentale Klangblöcke. Glück und Leid seines oft schwierigen Lebens stehen nun im Vordergrund seines Wirkens. Seine spät entstandenen Klaviersonaten und Streichquartette sind Klanggespinste von hoher Empathie und einfühlsamer Metaphorik. Eines Titans würdig und unerreicht in ihrer orchestralen Darstellung. Diesen Mann gekannt zu haben, wird für viele seiner Zeit ein ganz besonderes Erlebnis gewesen sein. Bis heute ist die Verehrung riesengroß, so dass einst eine Locke Beethovens im Auktionshaus Sotheby’s für 39.000 Euro versteigert wurde. Eigentlich sollte das Jahr 2020 zum Beethoven-Jahr auserkoren werden, mit mehreren hundert Veranstaltungen zu dessen Ehren, doch Corona verhindert derzeit die globale Ehrung, Reminiszenz und Anerkennung des überirdischen Könners. Einem Menschen, der in seiner Kindheit vom Vater zur Perfektion getrieben wurde (auch nachts musste er manches Mal aufstehen und dem Vater vorspielen), und der bereits mit 10 Jahren die Bonner Hofkapelle dirigierte. Schreiben und Rechnen fielen ihm dagegen schwer, seine Briefe waren in wunderlicher Sprache verfasst, was aber niemand zu stören schien. Seine Profession war die Musik, und die konnte er wie kein anderer aufs Notenpapier bringen, nachdem er von den größten Meistern seiner Zeit unterrichtet worden war. Längst waren Vater und Mutter verstorben, als der junge van Beethoven in der Lage war, die reine Vernunft zum Klingen zu bringen. Das brachte ihm schon zu Lebzeiten Ruhm und Anerkennung und so sagt man ihm nach, dass er mittels der Musik sein eigenes Lebensschicksal überwinden konnte und seine Noten nicht nur singen, sondern denken lassen konnte. Einfach wunderbar!
Leider kommen solche Genies der Nusik nur alle 200 Jahre auf die Welt. Wenn ich dagegen dann „Chery, chery lady“ höre, dann kann ich nur noch (Entschuldigung) – in einen großen Eimer kotzen!…