Es klingt verrückt, aber Sexpuppen, die aussehen wie echte Menschen, werden immer beliebter. In den ersten I I Monaten des Jahres, die ja die meisten von uns in strenger Corona-Quarantäne verbracht haben, sind die Bestellungen verschiedenen Shops zufolge regelrecht durch die Decke gegangen. Auch die aktuellen Verkaufszahlen des Real-Doll-Anbieters Sex Doll Genie lassen uns staunen: Bei alleinstehenden Männern habe sich die Nachfrage mehr als verdoppelt – aber auch Frauen schlagen um satte 15,8 Prozent häufiger zu, bei Paaren gab’s gar ein Plus yon 33,2 Prozent. Es scheint also tatsächlich immer selbstverständlicher zu werden, mit einer Puppe ins Bett zu gehen. Da stellt sich nur die Frage: WARUM? Wo genau liegt da der Reiz?
Mehr als ein Klischee
Grund Nummer eins, mit einer Puppe intim zu werden, liegt auf der Hand: sexuelles Verlangen. Für viele ,,Nutzer“ ist eine Real Doll nicht mehr als ein XXL-Masturbator, den man auch küssen und streicheln kann. Ein ausgefallenes Sextoy, das man ganznach seinen Wünschen zusammenstellen darf. So wie bei einem Neuwagen. Die Sonderausstattung kostet natürlich extra. Aber: Für eine herausnehmbare Vagina, extra Schamhaare, Piercings oder ein,,Touch-VoiceSystem“, mit dessen Hilfe die Puppe bei Berührung bestimmter sensorischer Punkte anfängt zu stöhnen, zahlen viele Nutzer gerne drauf.
Laut einer Umfrage der Casual Dating-Plattform ,,Joyclub“ nutzen 54 Prozent die Dolls als ein solches Sextoy, oder geben – in 46 Prozent der Fäile – ,,Experimentierfreude“ als Grund an. Ein Blick ins internationale ,,Doll Forum“, in dem sich Puppen-Liebhaber virtuell austauschen können, bestätigt die Umfrage-Ergebnisse. Den meisten Nutzern geht es tatsächlich nur um den reinen Sex, ergänzt um die Optik, denn in Sachen Perfektion haben die Puppen natürlich einiges zu bieten: ,,Warum soll ich mit einer Durchschnittsfrau ins Bett gehen, wenn ich doch auch eine Supermodel-Doll haben kann?“, argumentiert ein User. Wer jetzt erschrickt: Auch Frauen wissen die Vorzüge der Puppen durchaus zu schätzen, schließlich gibt es nicht nur weibliche, sondern auch männliche Exemplare, die mit stattlichem Silikon-Sixpack und einem 20 -Zentimeter-Penis ausgestattet sind. ,,Egal welcher Leidenschaft du frönst, mit Maximilian werden deine Wünsche wahr“; heißt es etwa im Online-Shop von Dollpark, wo 15 verschiedene Male Partner zur Auswahl stehen: Linus, Johnny, Marcel oder Pierre – rund 1,500 Euro kosten die leblosen Liebhaber.
Mehr als Sex?
Interessanter als die sexuelle Motivation ist die emotionale Perspektive, die die Nutzer des ,,Doll Forums“ offenlegen: Ein Mann erzählt, dass er einfach nicht mit Frauen und dem ganzen Dating-Wirrwarr zurecht komme, der Nächste beklagt, dass er immer wieder in der Freundschaftszone landet, sich aber sehr nach Liebe und Gesellschaft sehnt: „Klar, ich könnte den Rest meines Lebens nach etwas suchen, was ich dann sowieso nicht finde, oder eine Alternative wählen, die diese Lücke zumindest teilweise schließt. Es zeigt, dass der mensch ein soziales Wesen ist und sich nach Wärme und Zuneigung sehnt. Kein Wunder also, dass mehr als die Hälfte der Teilnehmer der,, Joyclub,,-Umfrage,, Einsamkeit“ als Kaufanreiz nennen – genau 58,3 Prozent. Janet Stevensen, Gründerin von Sex Doll Genie, nennt weitere Gründe, die in diese Richtung gehen: ,,Viele Menschen haben einfach keine Lust mehr zu daten. Zum Beispiel, weil sie mit dem anderen Geschlecht nicht zurechtkommen oder sich beim Dating unwohl fühlen. Auch Trennungen, Scheidungen oder der Verlust des Partners können Gründe für die Anschaffung sein Ist es also die Not, die Menschen in Gummi-Arme treibt, oder verlernen wir schlicht die Interaktion mit anderen? Immer mehr Menschen bekennen sich zu ihrer Angst vor Zurückweisung oder Nähe. Und Soziologen attestieren uns zunehmenden Narzissmus. Mehr und mehr kreisen wir um uns selbst, vermeiden Risiken und scheuen Konflikte.. Bis die Furcht, sich aufjemanden einzulassen,die Hoffnung auf ein glückliches Miteinander überwiegt. Sind leblose Sexpartner und -partnerinnen das Modell der Zukunft?
Von der Puppe zum Roboter
Werfen wir einen Blick auf die Technik-Trends: Es gibt sie schon, die Sexroboter mit integrierter künstlicher Intelligenz. Sie können Augen und Mund bewegen und besitzen eine Spracherkennungs-App, ähnlich wie im Smartphone. Ein Feature, das die Kreuzung aus Puppe und Roboter noch menschenähnlicher unä den Menschen noch ersetzbarer macht, was eine Demonstration von ,,Realbotix Harmony,, auf YouTube bereits eindrucksvoll zeigt. Laut Zukunftsforscher Ian Petersen, der an der Australian National University forscht, könnte der Sex mit intelligenten Robotern in Zukunft so gut sein, dass wir menschliche Intimität irgendwann ganz und gar verschmähen. David Levy, Experte für künstliche Intelligenz, der ebenfalls zum Thema forscht, geht sogar noch einen Schritt weiter: Er vertritt die These, dass Sex und Liebe zwischen Mensch und Roboter im Jahr 2050 völlig normal sein werden – eine verrückte Vorstellung. Aber ob es tatsächlich darauf hinauslaufen wird? Wir hoffen lieber weiter auf ,,echte Happy Ends“. Denn diese gewöhnungsbedürftigen Vorlieben einiger Zeitgenossen, auch wenn sie einsam sind, sind schon sehr skurril und passen nicht zum emotionalen, zwischenmenschlichen Miteinander, wie wir es kennen.
2 COMMENTS